Autistische Störungen sind zumindest teilweise genetisch begründet. Das haben amerikanische Forscher herausgefunden, indem sie das Erbgut von über 10.000 Menschen mit und ohne autistischen Störungen verglichen. Die Wissenschaftler entdeckten zwar kein Autismus-Gen. Jedoch gibt es unter den 46 Chromosomen des menschlichen Erbguts eine Stelle auf dem Chromosomenpaar 5, an der die Forscher bei Autisten auffällig oft diverse Genvariationen entdeckten. Die beiden Gene, zwischen denen diese Stelle liegt, produzieren Proteine, die für die Signalübermittlung zwischen Nervenzellen enorm wichtig sind. Bei autistischen Störungen sei diese Übermittlung höchstwahrscheinlich gestört, schreiben die Wissenschaftler um Hakon Hakonarson vom Kinderkrankenhaus in Philadelphia.
Die Forscher verglichen das Erbgut von 10.796 Menschen miteinander: 1.204 erwachsene Autisten, Kinder mit autistischen Störungen und ihre nahen Angehörigen ? insgesamt 3.101 Personen ? und 6.491 Menschen, die nicht an autistischen Störungen litten. Dabei entdeckten die Wissenschaftler auf dem Chromosomenpaar 5 zwischen den beiden Genen Cadherin 9 und Cadherin 10 eine Stelle, an der bei Autisten bis zu sechs genetische Variationen, so genannte
Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) vorkamen.
Bei SNPs sind einzelne Basenpaare der DNA verändert. Die Forscher fanden heraus, dass eine Abweichung allein nur ein geringes Risiko darstellt. Treten jedoch mehrere Variationen gemeinsam auf, steigt das Risiko für eine autistische Störung enorm an. Rund fünfzehn Prozent aller autistischen Störungen ließen sich höchstwahrscheinlich auf die SNPs zurückführen, schätzen Hakonarson und sein Team.
Die beiden Cadherine, zwischen denen die SNPs auftreten, produzieren Eiweißmoleküle, die der Signalübermittlung von Nervenzelle zu Nervenzelle dienen. Durch die SNPs sei die Kommunikation zwischen den Zellen gestört, vermuten die Wissenschaftler. Ihre Beobachtungen passen zu Ergebnissen aus Studien der Hirnforschung: Aufzeichnungen der Hirnaktivitäten von Autisten hatten gezeigt, dass die Verbindungen zwischen den Nervenzellen reduziert sind.
Hakon Hakonarson (Kinderkrankenhaus in Philadelphia) et al.: Nature, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1038/nature07999 ddp/wissenschaft.de ? Mascha Schacht