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Religion als Triebkraft für Zivilisationen?

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Religion als Triebkraft für Zivilisationen?
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Der Glaube an einen strafenden Gott kann zusammenschweißen (Foto: ImagineGolf/ iStock)
In fast allen Kulturen spielt der Glaube an eine übernatürliche Macht eine Rolle. War die Religion vielleicht sogar der Kitt, der die ersten größeren Gesellschaften ermöglichte und sie zusammenhielt? Diese Frage haben Forscher nun mit einem Spielexperiment in acht ganz unterschiedlichen Kulturen untersucht. Dabei zeigte sich: Wer an ein strafendes und allwissendes höheres Wesen glaubt, der ist eher bereit, mit einem geografisch entfernten Glaubensgenossen zu teilen und zu kooperieren.

Unsere frühesten Vorfahren lebten in kleinen, überschaubaren Familienclans zusammen. Loyalität und Kooperation innerhalb der Gruppe bedeutete daher immer auch Kooperation mit einem eng verwandten oder zumindest gut bekannten Mitmenschen. Doch als die ersten größeren Zivilisationen entstanden, änderte sich dies: Es gehörten plötzlich auch weit entfernt lebende Fremde dazu und forderten Hilfe, Vertrauen und Kooperation ein – eine ganz neue Situation. Schon seit längerem spekulieren Forscher darüber, ob in dieser Situation die Religion womöglich eine Schlüsselrolle gespielt haben könnte. Schon früher haben Studien gezeigt, dass die Gesellschaftsform und Umwelt die Gottesbilder prägt: Je härter die Umstände, desto strafender der Gott. Aber auch umgekehrt könnte es einen Einfluss gegeben haben: „Der Glaube an moralische, strafende und allwissende Götter könnte die Ausdehnung der Kooperation, des Vertrauens und der Fairness auch auf entfernte Religionsgenossen gefördert haben“, erklären Benjamin Grant Purzycki von der University of British Columbia und seine Kollegen.

Münzen für die Glaubensgenossen

Ob diese Hypothese stimmen könnte, testeten die Forscher mit einem Spielexperiment, dass sie 591 Menschen aus acht ganz verschiedenen Kulturen durchführen ließen. Die Spannbreite der Teilnehmer reichte von Jägern und Sammler in Tansania über Viehzüchter und Bauern in der Südsee und Brasilien bis zu Angehörigen von Kulturen mit Lohnarbeit in Sibirien oder auf Mauritius. Unter den Religionen waren Christentum, Hinduismus und Buddhismus ebenso vertreten wie der Glaube an Natur- oder Ahnengeister. Alle Probanden bekamen die gleiche Aufgabe: Sie sollten eine bestimmte Geldsumme zwischen einem Topf für einen entfernten, ihnen unbekannten Religionsgenossen und einem Topf für sich selbst oder ein lokales Mitglied ihrer Religion aufteilen. Alle Teilnehmer wurden zudem eingehend über ihre Glaubensvorstellungen befragt.

Das Ergebnis: „Je stärker die Teilnehmer ihre Götter als strafend und als allwissend beschrieben, desto mehr Münzen teilten sie dem geografisch entfernten, ihnen fremden Religionsgenossen zu“, berichten Purzycki und seine Kollegen. Allein der Glaube, dass der moralische Gott auch straft, wenn man seinen Geboten nicht gehorcht, führte dazu, dass der entfernte Glaubensgenosse knapp fünfmal mehr Münzen erhielt als bei Teilnehmern, die nicht an einen strafenden Gott glaubten. Die Aussicht auf eine göttliche Belohnung schien dagegen wenig Einfluss auf die Kooperationsbereitschaft zu haben, denn sie bewegte die Teilnehmer nicht dazu, dem fremden Glaubensgenossen mehr zu geben, wie die Forscher berichten.

Nach Ansicht der Wissenschaftler bestätigt dies die Hypothese, dass der Glaube an einen moralischen, strafenden Gott zu einer Ausweitung der frühen Gesellschaften beigetragen haben könnte und den Zusammenhalt auch großer Gruppen förderte. „Er verstärkt das faire Verhalten gegenüber entfernten, fremden Glaubensgenossen und trägt damit zu einer Expansion des prosozialen Verhaltens bei“, so Purzycki und seine Kollegen. In einem begleitenden Kommentar sieht Dominic Johnson von der University Oxford dies ähnlich: „Religion ist wohl der machtvollste Mechanismus, den Gesellschaften gefunden haben, um Menschen zu einem gemeinsamen Zweck zu verbinden“, so der Politikwissenschaftler. „Von den alten Zivilisationen über die Ausbreitung des Christentums bis zu den heutigen islamischen Terrorgruppen hat die Religion nicht nur das Zurückstellen des Eigennutzes für die Gruppe gefördert, sondern auch das Märtyrertum im Namen eines Gottes.“

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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