Der Anteil tumorbildender Zellen in Krebsgeschwüren ist vermutlich viel höher als bisher angenommen. Das haben amerikanische Forscher bei Untersuchungen an Hautkrebs bei Mäusen herausgefunden. Demnach können nicht nur die selten vorkommenden Krebsstammzellen einen neuen Tumor verursachen, sondern ein Viertel aller Krebszellen. Die neuen Ergebnisse lassen Zweifel an der in den vergangenen Jahren aufgestellten und experimentell untermauerten Hypothese aufkommen, dass sich die Krebsforschung hauptsächlich auf die Zerstörung der Krebsstammzellen konzentrieren sollte, berichten die Mediziner um Elsa Quintana von der Universität von Michigan in Ann Arbor.
Bei ihren Untersuchungen des tödlich verlaufenden schwarzen Hautkrebses an Mäusen stellten die Wissenschaftler fest, dass die Ausbreitung der Krankheit nicht wie vom Krebsstammzellen-Modell vorhergesagt verläuft. Diese Theorie besagt, dass Tumoren nur von extrem seltenen Krebsstammzellen gebildet werden, die sich unkontrolliert teilen können. Diese Krebsstammzellen machen nur zwischen einem Tausendstel und einem Millionstel aller Krebszellen aus. Als die Wissenschaftler nun jedoch Hautkrebszellen von Menschen in genetisch veränderte Mäuse transplantierten, löste ein Viertel aller Krebszellen die Bildung neuer Tumoren aus. Das entspricht verglichen mit dem alten Modell einer um das 250.000-fache höheren Anzahl von tumorbildender Zellen.
Den Unterschied zu bisherigen Ergebnissen führen die Wissenschaftler auf ihr verbessertes Modell zurück: Sie setzten bei ihren Experimenten besondere Mäuse ein, deren Immunsystem völlig außer Kraft gesetzt war. Bei früheren Transplantationsversuchen war das Immunsystem der Nager dagegen zwar stark geschwächt, jedoch nicht völlig inaktiv gewesen. Dadurch griffen die Verteidigungszellen der Mäuse die fremden, menschlichen Krebszellen an und verfälschten somit das Ergebnis. Bei den neuen Versuchen beeinflusst das Immunsystem die Messung der Krebszellen jedoch nicht mehr, erläutert Quintana.
Die Forscher glauben nicht, dass ihre Studie die bisher favorisierte Krebsstammzellen-Theorie komplett widerlegt. Sie treffe wahrscheinlich schon auf einige Krebsarten zu, erklärt Quintana. Zumindest der schwarze Hautkrebs lasse sich aber mit diesen Modell nicht erklären.
Elsa Quintana (Universität von Michigan, Ann Arbor) et al.: Nature, Bd. 456, S. 593, DOI: 10.1038/nature07567 ddp/wissenschaft.de ? Stefan Pröll