Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Nobelpreis für Chemie 2008: Es grünt so grün

Erde|Umwelt

Nobelpreis für Chemie 2008: Es grünt so grün
Mit dem Nobelpreis für Chemie werden in diesem Jahr der in den USA lebende Japaner Osamu Shimomura, Jahrgang 1928, der 1947 geborene US-Amerikaner Martin Chalfie und der fünf Jahr jüngere Roger Tsien, ebenfalls US-Bürger ausgezeichnet. Sie erhalten den Preis für ihre Arbeit mit und an GFP, einem unter Blau- und UV-Licht grün leuchtenden Protein, das natürlicherweise in der Qualle Aequorea victoria vorkommt. Jeder der drei Preisträger repräsentiert dabei einen Schritt von der Entdeckung des Proteins bis hin zu seiner heutigen Rolle als wichtigstes Werkzeug der Biochemie, Zellbiologie und der medizinischen Forschung, teilte die Schwedische Akademie der Wissenschaften in ihrer Begründung mit. GFP ermöglichte es erstmals, zuvor unsichtbare Vorgänge innerhalb lebender Zellen sichtbar zu machen und damit eine schier unfassbare Vielfalt von Prozessen verstehen und modifizieren zu können.

Den Grundstock für GFPs Siegeszug legte Shimomura bereits 1955. Damals suchte er auf Anweisung seines Chefs an der Universität Nagoya nach der Substanz, die zerquetschte Muschelkrebse bei Kontakt mit Meerwasser leuchten ließ ? eine Aufgabe, an der zuvor bereits andere Wissenschaftler gescheitert waren. Trotzdem gelang es dem unerfahrenen Studenten bereits ein Jahr später, das verantwortliche Protein zu isolieren. Die zugehörige Veröffentlichung brachte ihm einen Doktorgrad ein und einen Ruf nach Princeton, wo er sich dann mit einem anderen natürlich fluoreszierenden Material beschäftigte: dem gallertartigen Gewebe einer Qualle namens Aequorea victoria, dessen Ränder bei einer Erregung des Tiers grün leuchten.

Einen ganzen Sommer lang beschäftigte sich Shimomura damit, Exemplare dieser Quallenart zu sammeln, ihre Ränder abzuschneiden und diese auszuquetschen. Am Ende hatte er aus etwa 10.000 Tieren einige wenige Milligramm eines Proteins isoliert, das allerdings nicht grün, sondern blau leuchtete. Er nannte es Aequorin ? und erwähnte in seiner offiziellen Beschreibung des Verfahrens 1962 zum ersten Mal auch ein anderes Protein, das im Sonnenlicht grünlich, unter Kunstlicht gelblich und im UV-Licht fluoreszierend grün leuchtete: das GFP.

Während der 1970er Jahre charakterisierte der Wissenschaftler das Eiweißmolekül und speziell seinen farbgebenden Teil, das Chromophor, genauer. Überraschende Erkenntnis: GFP benötigt im Gegensatz zu vielen anderen leuchtenden Proteinen keinerlei zusätzliche Chemikalien, Ionen oder sonstige Additive, um zu leuchten.

Genau diese Besonderheit war es, die den zweiten Schritt auf dem Weg zum biotechnologischen Superwerkzeug überhaupt erst möglich machte. Er begann damit, dass Martin Chalfie 1988 von GFP hörte ? und sofort aufmerksam wurde: Das Protein schien ihm ein optimales Werkzeug, um sein Forschungsobjekt, den transparenten Fadenwurm Caenorhabiditis elegans, noch detaillierter untersuchen zu können. Seine Idee: Würde es gelingen, das Gen für GFP mit dem eines anderen Proteins zu koppeln, würde immer dann, wenn eine Zelle dieses Gen abliest und das darauf kodierte Protein produziert, gleichzeitig auch GFP entstehen ? und sich mit seinem charakteristischen grünen Leuchten verraten. Auf diese Weise könnten Forscher sozusagen live und in Farbe beobachten, wann und wo welches Gen an- oder ausgeschaltet wird.

Anzeige

Die Voraussetzung dafür ? die Identifizierung und Klonierung des GFP-Gens im Quallengenom ? schuf Chalfies Kollege Douglas Prasher 1992. Im gleichen Jahr noch gelang es Chalfie und seiner Mitarbeiterin Ghia Euskirchen, das Gen so in die im Labor häufig für solche Zwecke verwendeten E. coli-Bakterien einzuschleusen, dass die Mikroben tatsächlich funktionsfähiges GFP produzierten. Das sei vor allem deswegen ein unerwarteter Durchbruch gewesen, weil Wissenschaftler in den 1990er Jahren angenommen hätten, fluoreszierende oder farbige Proteine könnten nur mit Hilfe einer ganzen Reihe zusätzlicher Hilfsproteine und in mehreren Schritten hergestellt werden, so das Nobelkomitee in seiner Begründung.

1994 schließlich setzte Chalfie das leuchtende Protein zum ersten Mal innerhalb eines lebenden Organismus ein: Er stattete sechs Nervenzellen in C. elegans mit dem GFP-Gen aus ? und brachte die Zellen allein mit einer Berührung zum Leuchten.

Diese Arbeit war wiederum die Basis für Roger Tsiens Beitrag, dem letzten Schritt auf dem Weg. Der Physiologe schaute sich die chemischen Eigenschaften des 238 Aminosäuren langen GFPs genauer an und konzentrierte sich ebenfalls vor allem auf das Chromophr. Seine Entdeckung: Für die korrekte Bildung des farbgebenden Anteils sind hauptsächlich drei Aminosäuren verantwortlich. Werden diese verändert, beginnt das Protein plötzlich in völlig neuen Farben zu leuchten ? blau, gelb und cyanfarben. Nur Rot ließ sich auf diesem Weg nicht erreichen, stellte Tsien fest. Gerade diese Farbe ließe sich jedoch in der Zellbiologie besonders gut nutzen, denn rotes Licht dringt sehr gut durch Zellwände.

Mittlerweile ist jedoch auch dieses Problem gelöst: Tsien gelang es, ein rot fluoreszierendes Protein aus Korallen so umzubauen, dass es ebenfalls leicht innerhalb von Zellen hergestellt werden kann. 46 Jahre nach der Entdeckung von GFP stehen Wissenschaftlern daher GFP-artige Proteine in allen Farben des Regenbogens zu Verfügung, mit denen auch mehrere zelluläre Prozesse gleichzeitig sichtbar gemacht werden können.

Mitteilung der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften Ilka Lehnen-Beyel
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

He|rons|ball  〈m. 1u; Phys.〉 bauchiges Gefäß, aus dem durch Einblasen von Luft Flüssigkeit hinausgedrückt wird [nach dem Physiker Heron von Alexandrien, … mehr

Po|ly|pep|tid  〈n. 11〉 Verbindung, die aus vielen, miteinander verknüpften Aminosäuren besteht

Ana|log|kä|se  〈m. 3〉 Käseersatz, Nahrungsmittel, das ähnliche Eigenschaften wie Käse besitzt, jedoch nicht oder nur zum Teil aus Milch hergestellt wird (bes. auf Fertigprodukten wie Pizza) ● auf Verpackungen sollte ~ gekennzeichnet sein

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige