Wäre der Sprint-Olympiasieger Usain Bolt im 100-Meter-Finale der Olympischen Spiele von Peking stramm durchgelaufen, hätte er den Weltrekord auf 9,55 Sekunden drücken können. Das haben norwegische Forscher auf Basis von Filmaufnahmen berechnet (hierzu ein Video). Bolt trudelte stattdessen aber die letzten zwei Sekunden ? mit 20 Metern immerhin auf einem Fünftel der Strecke ? aus, breitete die Arme aus und erreichte das Ziel trotzdem in Weltrekordzeit von 9,69 Sekunden. Unter optimalen Umständen könnte Bolt sogar unter 9,50 laufen, schätzen die Physiker um Hans Eriksen von der Universität Oslo.
Die Forscher gingen der seit dem Rekordlauf am 16. August der oft geäußerte Frage nach: “Welche Zeit hätte Bolt erzielt, wäre er denn durchgelaufen?” Bolts Trainer spekulierte nach dem Rennen, dass 9,52 Sekunden möglich gewesen wären. Daher analysierten die Wissenschaftler verschiedene Filmaufzeichnungen des Laufs. Sie bestimmten die Laufgeschwindigkeiten und -beschleunigungen von Bolt (Jamaika) und dem Zweitplatzierten
Richard Thompson (Trinidad). In den ersten vier Sekunden (35 Metern) waren Bolt und Thompson noch Kopf an Kopf. Dann legte Bolt zu und entschied das Rennen in den Sekunden vier bis acht für sich, erklären die Forscher.
Als Bolt nach acht Sekunden keinen Läufer mehr neben sich wahrnahm, lief er aus, was einer Bremsbewegung gleichkam. In diesem Zeitraum war Thompson sogar schneller als der Jamaikaner. Auf der Strecke lag er allerdings schon abgeschlagen zurück und kam mit einer Zeit von 9,89 Sekunden ins Ziel. Wenn Bolt nur ein wenig mehr durchgezogen hätte, wäre er 9,55 bis 9,61 Sekunden gelaufen, berechneten die Forscher. Unter optimalen Umständen, die auch einen leichten, zulässigen Rückenwind einschließen, käme Bolt sehr nah an die 9,50 heran, wenn nicht sogar darunter.
New Scientist, Nr. 2673, S. 15. ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer