Um die Entwicklung nach der Geburt zu rekonstruieren, verglichen Ponce de León und Zollikofer den Schädel mit Funden anderer Neandertalerkinder bis zum Alter von vier Jahren. Die Untersuchung zeigte, dass das Gehirn der Urzeitmenschen in der Kindheit schneller gewachsen sein muss als das des heutigen Homo sapiens. Allerdings widersprechen die Ergebnisse der Annahme, dass das Neandertalergehirn schneller ausgewachsen war und sie deshalb auch kürzer lebten. Denn im Durchschnitt wurden ihre Gehirne auch größer als die des Homo sapiens, zeigten die Analysen. Die Wachstumsperiode war daher bei beiden Gattungen vermutlich etwa gleich lang.
Weiterhin untersuchten die Forscher, wie die Geburt eines Neandertalerbabys ausgesehen haben muss. Dazu rekonstruierten sie das Becken anhand eines aus den 1930er Jahren stammenden Fundes eines weiblichen Neandertalers. Der Geburtskanal der Frau war etwas weiter als bei heutigen Frauen, zeigte die Computersimulation, zugleich war aber auch der Schädel des Kindes etwas länger. Die Geburt sei damals also vermutlich genauso schwierig gewesen wie bei heutigen Frauen, schreiben die Anthropologen. „400 Kubikzentimeter sind vermutlich eine natürliche Grenze für die Größe des Gehirns bei der Geburt“, erläutert Zollikofer. „Diese Grenze wurde offenbar schon bei den letzten gemeinsamen Vorfahren von Neandertalern und heutigen Menschen erreicht.“