Wie der Körper auf furchteinflößende Ereignisse reagiert, hängt vom Zusammenspiel zweier Zonen im Gehirn ab. Einer dieser Schaltkreise ist für das Lernen von Angstreaktionen zuständig, während der andere diese Reaktion wieder löscht. Von der Balance der beiden neuronalen Areale in der Mandelkern genannten Region des Gehirns hängt die Angstempfindung ab, wie Schweizer Forscher um Andreas Lüthi vom Friedrich-Miescher-Institut für Biomedizinische Forschung in Basel bei Versuchen mit Mäusen herausgefunden haben. Anhand der Ergebnisse ist ersichtlich, wo im Gehirn Angstzustände hervorgerufen und weiterverarbeitet werden. Mit diesem Wissen könnte die Therapie von Patienten mit Angstzuständen verbessert werden.
Die Forscher pflanzten in das Gehirn von Mäusen Elektroden ein, um die elektrische Aktivität verschiedener Gehirnbereiche im Mandelkern auf Angstreize zu vermessen. Der Mandelkern spielt eine wesentliche Rolle bei der Gefahrenanalyse und beim Hervorrufen von Angst. Die Forscher konditionierten die Mäuse auf ein Angstverhalten, indem sie nach einem akustischen Tonsignal die Pfoten mit einem leichten Elektroschock reizten. Wenn die Mäuse nach dem Ton für mindestens zwei Sekunden in eine Art Schockstarre fielen, werteten die Forscher dies als Angstreaktion. Mit der Angstreaktion zeigte auch ein Gehirnareal mit rund 43 Neuronen ein deutliches Signal.
In einem weiteren Versuchsteil verzichteten die Forscher auf den Elektroschock: Nach 24 Tonstimulationen konnten sie die Angstreaktion der Mäuse eliminieren. Dabei übernahm dann ein anderes Gehirnareal mit etwa 35 Neuronen das Kommando und tilgten das Angstgedächtnis. Sieben Tage später konnten die Forscher durch erneute Ton-Elektroschockreize das Gedächtnis wieder reaktivieren. Sie schließen daraus, dass es zwei Schaltkreise im Mandelkern des Gehirns gibt: Einer lernt, äußere sensorische Ereignisse mit Angstreaktionen zu verknüpfen. Der andere löscht die Angst wieder aus.
Von der Balance zwischen Angstneuronen und Löschneuronen hängt es ab, wie Mäuse und vermutlich auch Menschen auf Angst hervorrufende Reize reagieren. Wenn diese Balance von außen Richtung „Löschen“ verschoben werden könnte, hätten Mediziner vielleicht ein probates Mittel, um Patienten mit Angststörungen zu helfen, hoffen die Forscher.
Andreas Lüthi (Friedrich-Miescher-Institut für Biomedizinische Forschung in Basel) et al.: Nature, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/nature07166 ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer