Solch ein schnelles Wachstum sei mit derzeitigen geologischen Modellen nicht zu erklären, schreiben Garzione und ihre Kollegen. Gebirge entstehen der gängigen Vorstellung zufolge dann, wenn zwei der tektonischen Platten zusammenprallen, aus denen die Erdoberfläche besteht. Die relativ dünne und schwere ozeanische Kruste versinkt in sogenannten Subduktionszonen im Erdinneren, während kontinentale Kruste bei einer Kollision zusammengeknautscht wird. Der Aufstieg der gequetschten und verdickten Kruste zu einem Gebirge, so nahmen Geowissenschaftler bislang an, ist mit dem Aufstieg eines untergetauchten Eisbergs zu vergleichen: Weil das Krustengestein eine geringere Dichte hat als das darunterliegende Mantelgestein, verhält es sich wie ein schwimmender Körper und steigt langsam nach oben. Quetschung und Aufstieg sollten demnach ungefähr gleichzeitig verlaufen.
Wie sich nun herausstellt, scheinen zumindest die Anden viele Millionen Jahre auf relativ geringer Höhe verharrt zu haben, obwohl der südamerikanische Kontinent immer weiter zusammengeknautscht wurde. Garzione und ihre Kollegen argumentieren, dass auch das dichte Mantelgestein unter einem Gebirge zusammengepresst wird. Denn die tektonischen Platten bestehen sowohl aus Krusten- als auch aus Mantelgestein und sind hundert bis 200 Kilometer dick. Das schwere Mantelgestein wirkt wie ein Anker, der das Gebirge nach unten zieht und den Aufstieg verhindert.
Doch vor zehn Millionen Jahren haben die Anden diesen Ballast abgeworfen, schreiben die Forscher. Auf einen Schlag muss sich das Mantelgestein von der Kruste gelöst haben und in die Tiefe gesunken sein. Von der Last befreit, konnte das Gebirge wie ein Korken schnell nach oben steigen. Geologen bezeichnen die schichtweise Ablösung des Mantelgesteins als „Delamination“.