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Niagara-Fälle in Grönland

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Niagara-Fälle in Grönland
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In Grönland rauschen im Sommer große Menge Schmelzwasser durch Abflusslöcher in die Tiefe.
Auf dem grönländischen Inlandeis gehen seltsame Dinge vor sich. Schmelzwasser, das sich im Sommer in größeren Seen auf der Oberfläche des Eises sammelt, kann innerhalb weniger Stunden in der Tiefe verschwinden. Das Wasser dringt durch Spalten ins Eis ein und bahnt sich schließlich ein röhrenförmiges Abflussloch durch kilometerdickes Eis bis zum Boden. Die gemessene Strömung kann so stark werden wie die Niagara-Fälle, berichten Forscher um Sarah Das von der Woods Hole Oceanographic Institution.

Auf Satellitenbildern hatten Glaziologen schon seit längerem bemerkt, dass die leuchtend blauen Schmelzwasserseen, die sich bei Temperaturen über null Grad Celsius an der Oberfläche des Eises bilden, manchmal rasch verschwinden. Bislang war aber unklar, wohin das Wasser fließt. Das und ihre Kollegen überwachten daher 2006 zwei Seen mit Seismographen, GPS-Empfängern und anderen Messgeräten, um das Rätsel zu lösen. Einer der beiden Seen erreichte Ende Juli eine Ausdehnung von 5,6 Quadratkilometern, bei einer Tiefe von zwölf Metern. Am 29. Juli sank dann der Wasserspiegel, zunächst langsam mit einer Geschwindigkeit von 1,5 Zentimetern pro Stunde.

Um vier Uhr nachmittags nahm der Abfluss dann drastisch zu: Der gesamte See entleerte sich innerhalb von 90 Minuten wie eine Badewanne, bei der der Stöpsel herausgezogen wird. In dieser Phase rauschten 8.700 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in die Tiefe, berichten die Forscher, das sei mehr als die durchschnittliche Wassermenge an den Niagara-Fällen. Die Forscher stellten fest, dass sich das Wasser unter dem Eis offenbar in nördlicher Richtung fortbewegte.Eine GPS-Station nördlich des ehemaligen Sees wurde um 1,20 Meter angehoben, außerdem rutschte das Eis mitsamt der Station 80 Zentimeter Richtung Norden.

Wie die Forscher schreiben, ist die höhere spezifische Dichte von Wasser im Vergleich zu Eis dafür verantwortlich, dass Schmelzwasser bestehende Spalten erweitert und sich schließlich einen Weg durch den gesamten Gletscher bahnt. Mit der Geschwindigkeit der Ereignisse hätte aber niemand gerechnet. „Es ist schwer vorstellbar, wie ein kleiner Schmelzwasserteich den ganzen Weg von der Oberfläche durch kaltes, festes Eis bis zum Boden durchdringen kann“, sagt Sarah Das. Theoretische Überlegungen hatten zwar auf die Möglichkeit hingedeutet, doch in Forscherkreisen hatte es heftige Debatten darüber gegeben, ob ein solcher Badewannen-Effekt möglich ist.

Wie die Froscher schreiben, beschleunigt Schmelzwasser zwar die Bewegung der Gletscher. Das Wasser wirkt wie ein Gleitmittel: Normalerweise ist das Eis am Fels festgefroren und bewegt sich kaum. Sammelt sich unter Druck stehendes Wasser zwischen Eis und Fels, kann ein Gletscher ins Rutschen kommen. Beim dicken Inlandeis bewirkt das Schmelzwasser aber nur eine Geschwindigkeitszunahme um zehn Prozent, schreiben die Forscher. Die schnell fließenden Gletscher in Meeresnähe, die zum Teil mehrere Kilometer pro Jahr vorrücken und merklich zum Meeresspiegelanstieg beitragen, werden aber durch Schmelzwasser am Boden kaum beeinflusst. Ihre hohe Geschwindigkeit werde vielmehr dadurch verursacht, dass an der Gletscherzunge ständig Eisberge abbrechen. Dadurch rutscht von hinten schnell Eis nach.

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„Die Studie zeigt, dass der grönländische Eisschild in einer wärmeren Welt etwas schneller schmilzt als bislang angenommen“, kommentiert der Glaziologe Richard Alley von der Pennsylvania State University. „Aber dieser Mechanismus wird nicht zu einer katastrophalen Schmelze führen.“

Sarah Das (Woods Hole Oceanographic Institution, Woods Hole, Massachusetts) et al.: Science Express, Ausgabe 18. April Ian Joughin (University of Washington, Seattle) et al.: Science Express, Ausgabe 18. April Ute Kehse
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