Die starken Schmerzen bei einer Geburt entstehen hauptsächlich im Gebärmutterhals: Dort ist die Dichte an Nerven, die auf Schmerzreize reagieren, sehr viel höher als in der Gebärmutter selbst, hat die schwedische Frauenärztin Berith Karlsson Tingåker in ihrer Doktorarbeit nachgewiesen. Zurück geht dieser Unterschied jedoch wohl nicht auf eine Zunahme der Nervenenden im Gebärmutterhals, sondern vielmehr auf eine deutliche Abnahme der Schmerzempfindlichkeit des Gebärmuttergewebes während der Schwangerschaft. Die Arbeit bestätigt die bereits vermutete Schlüsselrolle des Gebärmutterhalses beim Geburtsschmerz und soll nun helfen, effizientere Schmerzmittel zu entwickeln.
Der Gebärmutterhals oder Zervix, am unteren Ende des Uterus gelegen, unterscheidet sich schon von seiner Beschaffenheit her deutlich von der eigentlichen Gebärmutter: Er besteht fast ausschließlich aus festem Bindegewebe mit einem hohen Kollagenanteil, während der darüberliegende Hauptteil der
Gebärmutter zwischen 40 und 70 Prozent Muskelfasern enthält. Die feste Konsistenz im Zervix bleibt während der gesamten Schwangerschaft erhalten, nur der Kollagengehalt verringert sich langsam. Erst kurz vor dem Einsetzen der Wehen wird das Zervixgewebe deutlich weicher, wobei gleichzeitig eine Entzündungsreaktion inklusive eines starken Anstiegs verschiedener Botenstoffe und Entzündungsfaktoren einsetzt.
Schon früher war der Zervix mit dem Geburtsschmerz in Verbindung gebracht worden ? unter anderem auch deswegen, weil viele der Entzündungsbotenstoffe auch für die Schmerzweiterleitung zuständig sind. Um diese These zu überprüfen, verglich Karlsson Tingåker in ihrer Arbeit nun Gebärmuttergewebe von Schwangeren, das ihnen während eines Kaiserschnitts entnommen worden war, mit dem von Nicht-Schwangeren, das aus Operationen zur Entfernung der Gebärmutter stammte. Sie konzentrierte sich dabei vor allem auf die Verteilung schmerzempfindlicher Nervenenden und Schmerzrezeptoren im Gewebe.
Das Ergebnis: Während vor einer Schwangerschaft die gesamte Gebärmutter inklusive des Zervix schmerzempfindlich ist, nimmt die Sensitivität des Gebärmuttergewebes in der Schwangerschaft ab ? so stark, das praktisch keine Nerven mit Schmerzrezeptoren mehr nachgewiesen werden können, erläutert Karlsson Tingåker. Der Gebärmutterhals behält hingegen in etwa die Schmerzempfindlichkeit, die er auch vor der Schwangerschaft besaß. Die Befunde zeigten eindeutig, dass es tatsächlich der Zervix sei, der die extremen Schmerzen vor und während der Geburt auslöse, so Karlsson Tingåkers Fazit. Das wiederum könnte als Basis für die Entwicklung schmerzlindernder Strategien dienen, die effizienter und vor allem einfacher anzuwenden sind als die Periduralanästhesie (PDA) ? denn die stehe vielen Frauen auf der Welt aus Mangel an Ausrüstung nicht zur Verfügung.
Mitteilung des Karolinska-Instituts, Stockholm ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel