Die C-14-Methode ist allerdings nicht aufs Jahr genau, da die in der Atmosphäre erzeugte Menge von Kohlenstoff-14 je nach Stärke der kosmischen Strahlung schwankt. Gerade in der Zeit der Jüngeren Dryas, die vor ungefähr 13.000 Jahren begann, gab es kalendarische Unstimmigkeiten. Unterschiedliche Archive ergaben mal eine Dauer von 600 Jahren, mal von 1.300 Jahren. Ob das auf Datierungsprobleme oder auf einen unterschiedlichen Verlauf der Kältewelle in verschiedenen Gegenden der Welt hindeutete, war unklar.
Muscheler und seinen Kollegen gelang es nun, den Baumring-Kalender der Universität Hohenheim mit einem Eis-Kalender aus Grönland in Einklang zu bringen. Der Baumring-Kalender, bei dem charakteristische Muster von unterschiedlich dicken und dünnen Baumringen zur Datierung dienen, reicht genau 12.468 Jahre in die Vergangenheit zurück. Bohrungen im grönländischen Gletschereis reichen mehr als hunderttausend Jahre in die Vergangenheit, sind aber nicht so genau wie die Baumringe, berichtet der Botaniker Michael Friedrich von der Universität Hohenheim, der an der Studie beteiligt war. “Mal fehlen ein paar Jahre, weil der Wind den Neuschnee an manchen Stellen fortwehte, mal sind Schichten doppelt vorhanden, weil fortgewehter Schnee an anderer Stelle wieder zu Boden fiel.”
Bislang ließen sich die beiden Archive nicht kombinieren. “Eiskerne und Baumringe sind wie zwei Geschichtsbücher in verschiedenen Sprachen, für die es noch keine gemeinsame Übersetzung gibt”, sagt Friedrich. Doch nun haben die Forscher eine gemeinsame Sprache gefunden: Im Gletschereis befindet sich das Element Beryllium-10, das ebenfalls durch kosmische Strahlung entsteht. “Die Beryllium-Kurve aus dem grönländischen Eis und die des Kohlenstoffs-14 in den Jahrringen weisen exakt die gleichen Schwankungsmuster auf. Das macht Eiskerne und Jahrringe vergleichbar”, erläutert der Hohenheimer Forscher.
Die Jüngere Dryas begann demnach vor 12.800 Jahren und dauerte insgesamt 1.300 Jahre. Bisher zur Datierung verwendete C-14-Werte aus einem Meeresbecken vor Venezuela lieferten wahrscheinlich irreführende Werte, weil im Atlantik ein Drittel weniger Wasser umgewälzt wurde als üblich, errechneten die Forscher. Das Förderband der Meeresströmungen, das über das Golfstromsystem Wärme nach Europa transportiert, war offenbar ins Stocken gekommen. Dadurch geriet auch der Kohlenstoffkreislauf im Meer durcheinander, was wiederum zu den fehlerhaften Daten führte, schreiben die Forscher.