Für diesen Effekt kommen laut Farris und ihrem Team zwei Erklärungsansätze infrage: Entweder liegt bei Männern die Schwelle, ab der eine Verhaltensweise als eindeutig sexuell eingestuft wird, tatsächlich niedriger als bei Frauen, oder aber Männer sind grundsätzlich nicht so sensibel für die Art der Signale, die eine Frau aussendet und können demnach sexuelle Hinweise nicht gut von anderen unterscheiden.
Um das abzuklären, zeigten die Wissenschaftler in ihrer aktuellen Studie 280 Studenten und Studentinnen jeweils ganz kurz Fotos von Frauen, die sie in eine von vier Kategorien sollten ? freundlich, sexuell interessiert, traurig oder abweisend. Das Ergebnis fiel nur zum Teil aus wie erwartet: Zwar interpretierten die Männer eine freundliche Frau in 12,1 Prozent der Fälle fälschlich als sexuell interessiert, während die weiblichen Probanden nur bei 8,6 Prozent falsch lagen. Eine Tendenz, die Bilder zu sexualisieren, ließ sich daraus jedoch nicht ablesen ? denn umgekehrt übersahen die Männer auch immerhin in 38 Prozent der Fälle ein echtes sexuelles Interesse, wohingegen die Frauen nur etwa 32 Prozent fehlinterpretierten.
Es scheint also einen ganz allgemeinen Geschlechtsunterschied bei der Fähigkeit zu geben, aus nicht-verbalen Signalen auf Gefühle und Absichten zu schließen, so das Fazit der Forscher. Warum viele Frauen trotzdem das Gefühl haben, freundliche Gesten ihrerseits würden häufiger sexuell aufgefasst als umgekehrt, lasse sich ebenfalls erklären: Zum einen sei eine unerwünschte sexuelle Annäherung unangenehmer und damit auch einprägsamer als eine fehlende Reaktion auf eigene Signale. Zum anderen bemerkten viele Frauen gar nicht, dass ihre Signale auch in die andere Richtung missverstanden werden, weil sie glauben, ein Mann sei einfach nicht interessiert, wenn er nicht auf ihre unausgesprochene Einladung reagiert.