Flecken auf empfindlichen Woll- und Seidenstoffen könnten in Zukunft ganz ohne Reinigung von alleine verschwinden. Möglich machen sollen dies winzige Körnchen aus Titandioxid, die mit einem von australischen und chinesischen Forschern entwickelten Verfahren an die Naturfasern angeheftet werden. Werden solche Textilien dann mit Sonnenlicht bestrahlt, zersetzen die Nanoteilchen nach und nach Schmutzpartikel und Geruchsstoffe, bis diese praktisch verschwunden sind. Das gleiche Prinzip wird bereits für selbstreinigende Fensterscheiben, Fassadenfarben und Keramikoberflächen eingesetzt.
Titandioxid wird weltweit als ungiftiges, gut deckendes weißes Pigment eingesetzt. In den vergangenen Jahren hat jedoch auch zunehmend eine andere Eigenschaft des Oxids an Bedeutung gewonnen: Eine bestimmte Variante von Titandioxid, Anatas genannt, kann bei Bestrahlung mit UV-Licht aggressive Teilchen bilden, die praktisch jede organische Substanz angreifen und zersetzen. Besonders gut funktioniert diese sogenannte Fotokatalyse, wenn das Titandioxid in extrem kleinen Teilchen mit einem Durchmesser von wenigen Millionstel Millimetern vorliegt. In diesem Zustand ist das Oxid zudem farblos, so dass es den verschiedensten Materialien beigemischt werden kann.
Um diesen Selbstreinigungseffekt nun auch für Textilien aus Woll- und Seidenfasern nutzen zu können, mussten die Forscher allerdings zuerst die Struktur der Fasern verändern. Wie Vorversuche gezeigt hatten, besitzen die Proteinfasern im ursprünglichen Zustand nicht genügend Andockstellen für das Titandioxid. Aus diesem Grund behandelten die Chemiker Wolle im Labor mit einer modifizierten Form von Bernsteinsäure, einer Substanz, die in der Lebensmittelindustrie als Geschmacksverstärker eingesetzt wird. Dadurch entstanden, gleichmäßig über die ganze Faser verteilt, neue chemische Ankerstellen, an die sich die Titandioxidpartikel anheften konnten.
Der Effekt war deutlich: Bereits nach zwanzig Stunden Bestrahlung mit simuliertem Tageslicht war ein intensiver Rotweinfleck auf der behandelten Wolle praktisch nicht mehr zu sehen, während er auf normaler Wolle unverändert dunkel blieb. Das Verfahren sei sehr schonend, so dass es die ansonsten extrem empfindlichen Woll- und Seidenfasern nicht schädige, schreiben die Wissenschaftler. Zudem habe man nur ungiftige und für die Umwelt unbedenkliche Chemikalien eingesetzt. In Zukunft könnte das Verfahren daher nicht nur Textilien veredeln, sondern auch insgesamt die Einsatzfähigkeit verschiedener Arten von Proteinfasern erweitern, hoffen sie.
Walid Daoud (Monash-Universität, Churchill) et al.: Chemistry of Materials, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1021/cm702661k ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel