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Mit dem Lasso auf Wurmjagd

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Mit dem Lasso auf Wurmjagd
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Einer der Ringe des fleischfressenden Pilzes, den Alexander Schmidt und seine Kollegen in 100 Millionen Jahre altem Bernstein im heutigen Südfrankreich entdeckt haben. Bild: Science/AAAS
Schon zur Zeit der Dinosaurier gab es winzige fleischfressende Pilze, die Würmer und andere Beute mit einer Art Lasso zur Strecke brachten: Sie bildeten klebrige Ringe, die sich vom Pilzkörper ablösen konnten und in denen sich die Würmer verfingen. Mehrere Exemplare dieser Pilze ? inklusive drei vollständiger und einem sich bildenden Ring sowie mehreren Fadenwürmern ? hat nun ein deutsch-französisches Forscherteam in vier Bernsteinstücken entdeckt. Die Fundstücke stammen aus einem ehemaligen Küstenwald im Südwesten des heutigen Frankreichs. Der noch namenlose Pilz ist mit einem Alter von etwa 100 Millionen Jahren der älteste bislang bekannte fleischfressende Pilz. Mit heute lebenden Arten, die zum Teil ähnliche Strategien für den Beutefang nutzen, ist er jedoch wahrscheinlich nicht verwandt, berichtet das Team um Alexander Schmidt.

Die Ringe bestehen aus einer einzigen Zelle und haben einen Innendurchmesser von acht bis zwölf Mikrometern. „Zusammenziehen konnten sie sich daher wahrscheinlich nicht“, erklärt Studienleiter Schmidt gegenüber wissenschaft.de. Bei modernen Pilzen bestehen die Schlaufen meist aus drei Zellen, die durch kontrolliertes Anschwellen den Innendurchmesser verkleinern können. Trotzdem waren die Ringe des fossilen Pilzes für Fadenwürmer wohl eine tödliche Falle: Angeheftete Partikel an den konservierten Exemplaren deuten darauf hin, dass die Schlaufen klebrige Substanzen ausschieden, mit denen einmal hineingekrochene Würmer festgehalten wurden. Dann sei der Pilz wahrscheinlich in den Körper der fixierten Beute eingedrungen und habe sie zersetzt, schreiben die Wissenschaftler.

Bei ihrer Analyse entdeckten die Forscher noch eine Besonderheit des alten Pilzes: Er kam nicht nur in einer fadenförmigen Form vor, sondern konnte auch hefeartige Kulturen bilden. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Lebensweise des Pilzes ziehen, erklärt Schmidt: „Heute sind solche hefeartigen Strukturen typisch für Pilze, die in Flüssigkeiten leben. Die Fäden deuten hingegen auf das Leben im trockenen Boden hin“. Die im Bernstein konservierten Exemplare konnten demnach im Gegensatz zu heutigen Pilzen wahrscheinlich beides und repräsentieren daher möglicherweise ein Übergangsstadium vom Leben im Wasser zum Leben an Land.

Die Pilze erschlossen sich durch die Erfindung des „Lassosystems“ eine zusätzliche Nahrungsquelle, erläutert Schmidt ? ähnlich wie fleischfressende Pflanzen, die sich an nährstoffarmen Standorten durch den Fang von Insekten zusätzliche Nährstoffe beschaffen können. Heute wird eine solche Schlingentaktik von einer ganzen Reihe verschiedener Pilze benutzt, darunter unter anderem Hut- und Schlauchpilze. Verwandt mit ihnen sind die fossilen Schlingenwerfer jedoch wahrscheinlich nicht: „Es handelt sich um eine Parallelentwicklung. Die Natur hat das System mehrmals unabhängig voneinander erfunden“, so der Forscher.

Alexander Schmidt (Humboldt-Universität Berlin) et a.: Science, Band 318, S. 1743 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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