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Die Schneematsch-Erde

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Die Schneematsch-Erde
Vor 550 Millionen Jahren ging eine ungemütliche Zeit der Erdgeschichte zu Ende: Im sogenannten Neoproterozoikum jagte eine Eiszeit die nächste. Die Frostperioden waren von so gewaltigem Ausmaß, dass die ganze Erde zum Schneeball wurde ? so lautet zumindest die vorherrschende Theorie. Forscher um Richard Peltier sagen jetzt aber: Die Erde war niemals völlig vereist. Zumindest die tropischen Ozeane blieben offen.

Die Spuren, die Geowissenschaftler aus dem Neoproterozoikum sammeln, sind äußerst rätselhaft. Eiszeit-Ablagerungen wechseln sich zum Beispiel mit dicken Kalk-Krusten ab, die auf ein extrem warmes Klima hindeuten. Außerdem schwankte das Verhältnis verschieden schwerer Kohlenstoff-Isotope in dieser Zeit so stark wie später nie wieder in der Erdgeschichte. Die Forscher deuteten dies bislang als extreme Turbulenzen in der Biosphäre. Sie vermuten, dass auf der Erde während der Schneeball-Eiszeiten gar keine Photosynthese mehr stattfand.

Peltier und seine Kollegen entwickelten nun erstmals eine Computersimulation, die sowohl das Klima als auch den Kohlenstoff-Kreislauf im Neoproterozoikum nachbildet. Wie sie schreiben, war die Erde eher ein Schneematsch-Ball als ein richtiger Schneeball. In ihrem Modell vereist der Planet nicht komplett, weil aus den Ozeanen mehr Kohlendioxid ausdampft als bislang angekomme – wahrscheinlich, weil sich bei den kalten Temperaturen mehr Sauerstoff im Meerwasser löste. Als das Gas in die Tiefsee gelangte, wandelte es dort reichlich vorhandenen organisch gebundenen Kohlenstoff in Kohlendioxid um. Das Gas wurde anschließend an die Luft abgegeben und wirkte dort als Treibhausgas. So wurde die völlige Vereisung verhindert, schreiben Peltier und Kollegen in der Zeitschrift „Nature“.

Dem Geologen Alan Kaufman von der University of Maryland zufolge hat das Modell allerdings Schwächen: Es könne nicht erklären, wieso sich in den Ablagerungen aus dem Neoproterozoikum Schichten aus Eisenmineralien und Kalkkrusten abwechseln, schreibt er in einem ebenfalls in „Nature“ veröffentlichten Kommentar. Die Eisenschichten deuten seiner Meinung nach eher darauf hin, dass die Meere in weiten Bereichen überhaupt keinen Sauerstoff enthielten. Zudem nehmen Peltier und seine Kollegen an, dass die Atmosphäre während des Neoproterozoikums bereits 21 Prozent Sauerstoff enthielt, genauso viel wie heute. Nach allgemeiner Ansicht war der Sauerstoffgehalt damals allerdings wesentlich geringer.

Das Neoproterozoikum interessiert Geologen unter anderen deswegen, weil nach dem Ende der Extrem-Eiszeiten plötzlich erstmals mehrzellige Tiere auf der Erde auftauchten. Viele spekulieren, dass die Umweltextreme der Schneeballzeit der Auslöser dieser „kambrischen Radiation“ waren.

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Richard Peltier (University of Toronto, Ontario, Canada).: Nature, Bd. 450, S. 807 Ute Kehse
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