Der Kiefer gehörte nach Ansicht der Wissenschaftler einem Homo habilis und zeigt, dass diese Frühmenschenart noch sehr viel später als bisher angenommen in Afrika gelebt hat. Damit muss Homo habilis auch länger als vermutet mit dem ebenfalls zu dieser Zeit in Ostafrika heimischen Homo erectus zusammengelebt haben, erklären die Forscher. Wahrscheinlich, so ihre Vermutung, hatten die beiden Frühmenschen unterschiedliche Lebens- oder Ernährungsgewohnheiten und machten sich daher keine direkte Konkurrenz. Gleichzeitig stellt die lange Koexistenz das bisherige Bild einer linearen menschlichen Abstammungslinie infrage, nach dem sich Homo habilis zu Homo erectus weiterentwickelte, der dann Homo sapiens hervorbrachte.
Das etwas ältere Schädeldach schreiben die Anthropologen einem Homo erectus zu. Obwohl es von einem zwar jungen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgewachsenen Individuum stammt, ist es kleiner als alle bisher entdeckten derartigen Funde. Das zeigt eine unerwartet große Variationsbreite bei der Körpergröße von Homo erectus und deutet auf einen so genannten Geschlechtsdimorphismus hin, einen klaren Unterschied zwischen der Größe von Männchen und Weibchen. Sollte sich das bestätigen, wäre Homo erectus wohl doch nicht so menschenähnlich gewesen wie bislang angenommen, schreiben die Forscher: Ein starker Geschlechtsdimorphismus, wie er etwa bei Gorillas vorkommt, gilt als ein sehr ursprüngliches Merkmal der frühen Menschenaffen, das im Lauf der menschlichen Evolution verschwunden ist. Er könnte zudem ein Anzeichen dafür sein, dass Homo erectus eine ähnliche Fortpflanzungsstrategie verfolgte wie die heutigen Gorillas, bei denen sich ein dominantes Männchen mit vielen Weibchen paart.