Hornmilben können sich offenbar nicht so recht für die optimale Fortpflanzungsmethode entscheiden, hat ein Team deutscher und amerikanischer Forscher entdeckt: Zuerst gaben die kleinen Spinnentiere das herkömmliche Männchen-Weibchen-Prinzip auf und wechselten zu einem keuschen Leben, bei dem sie sich ausschließlich über unbefruchtete Eier fortpflanzten. Dann, nachdem sie diese Version etliche Millionen Jahre praktiziert hatten, entdeckten einige der Milben die ursprüngliche Variante wieder für sich und vermehren sich nun genau wie ihre frühen Vorfahren geschlechtlich ? ein Phänomen, das Wissenschaftler noch nie zuvor im Tierreich beobachtet haben. Die genetische Ausstattung, die die Milben dafür benötigten, muss also die ganze Zeit in einer inaktiven Form in ihrem Erbgut geschlummert haben, berichten die Forscher um Katja Domes von der Technischen Universität Darmstadt.
Fast zehn Prozent aller Hornmilbenarten vermehren sich durch die so genannte
Parthenogenese: Sie legen Eier, aus denen ohne jegliche Befruchtung exakte Kopien der Mütter schlüpfen. Das war jedoch nicht immer so, konnten Domes und ihr Team nun bei einem Vergleich des Erbguts verschiedener Milbenarten zeigen: Der früheste gemeinsame Vorfahr der untersuchten Tiere praktizierte durchaus die geschlechtliche Vermehrung, und die ungeschlechtliche Variante entwickelte sich erst nach und nach mit der Zeit. Allerdings hat sich die keusche Lebensweise wohl nicht bei allen Milbenarten bewährt, denn eine der untersuchten Arten hat erst kürzlich die ungeschlechtliche Fortpflanzung aufgegeben und sich wieder der geschlechtlichen zugewandt.
Über die Ursache für diesen Sinneswandel können die Wissenschaftler bisher nur spekulieren. Sie vermuten jedoch, dass eine Veränderung der Lebensbedingungen diesen Schritt nötig gemacht haben könnte: Die betreffende Milbe lebt nicht wie viele ihrer Verwandten im Erdboden, sondern auf Bäumen. Im Erdreich, wo es Nahrung im Überfluss und einen guten Schutz vor Feinden gibt, können die Tiere auf die Vorteile der geschlechtlichen Vermehrung verzichten ? ihr Lebensraum ist so stabil, dass neue genetische Kombinationen ihnen eher Nach- als Vorteile bieten würden. Auf den Bäumen dagegen, wo die Nahrung knapper und die Gefahren größer sind, profitieren die Milben von neuen Genvarianten und damit neuen Eigenschaften, die sich aus der Kombination der elterlichen Gene ergeben.
Für besonders interessant halten die Wissenschaftler dabei, dass die für diese Lebensweise notwendige genetische Ausstattung während der langen Zeit der asexuellen Phase erhalten geblieben ist. Möglicherweise boten die Gene den Tieren demnach noch einen anderen Überlebensvorteil, der ihre Erhaltung begünstigte, so die Forscher.
Katja Domes (Technische Universität Darmstadt) et al.: PNAS, Bd. 104, S. 7139 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel