Mit Mathematik und einem Computermodell wollen Wissenschaftler die Ausbreitung von Krebs im Körper vorhersagen und damit Hinweise auf bessere Therapien geben. Die Mediziner um Vito Quaranta von der Vanderbilt-Universität in Nashville simulieren dabei, welchen Einfluss das umgebende Gewebe und eine Chemotherapie auf die Tumoren haben. Erste Ergebnisse zeigen, dass eine Änderung der Sauerstoffverfügbarkeit im Gewebe die Aggressivität eines Tumors steuern kann.
Die Forscher betrachten in ihrem Modell Krebszellen und gesunde Gewebezellen auf einem schachbrettartigen Raster. Jeder Zelle sind charakteristische Eigenschaften zugewiesen, etwa der Zelltyp, der Grad der Aggressivität oder die Verfügbarkeit von Nährstoffen. Dann setzen die Forscher die Zellen über mathematische Gleichungen in Beziehung. Dabei greifen sie auf ähnliche Simulationsmodelle wie Meteorologen zurück, die für ihre Wettervorhersagen die Atmosphäre in viele kleine Luftzellen einteilen. “Heutzutage kann das Wetter für die nächsten Tage sehr gut vorausgesagt werden. Genau diese Prognosegenauigkeit wollen wir für die Krebsausbreitung schaffen”, sagt Quaranta.
Das aktuelle Modell benötigt für die Berechnung einer viermonatigen Tumorwucherung acht Stunden. Durch Vergleiche der Rechenergebnisse mit experimentellen Befunden wollen die Forscher ihr Modell stetig verbessern und der Realität annähern. Später wollen sie dann Hinweise für bessere Therapien geben. “Wir können im Modell ganz gezielt studieren, wie der Tumor reagiert, wenn wir eine Therapie modifizieren”, sagt Quaranta. So könnten Krebspatienten individuelle Therapievorschläge erhalten, hoffen die Forscher.
So hat eine Berechnung ergeben, dass mit einem Mangel an Sauerstoff im Tumorgewebe der Tumor an Aggressivität gewinnen kann. Gängige Chemotherapien, die den lebenswichtigen Sauerstoff vom Tumorgewebe fernhalten, könnten damit gerade das Gegenteil bewirken: Die attackierten Tumorzellen wehren sich und dringen aggressiver in das umgebende Gewebe vor.
Vito Quaranta (Vanderbilt-Universität in Nashville) et al.: Cell, Bd. 127, S. 905 ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer