Kohlmeisen in Großstädten passen ihren Gesang an das Stadtleben an. Das haben niederländische Forscher herausgefunden, als sie die Gesänge von Meisen aus zehn europäischen Großstädten mit den Gesängen von Artgenossen aus umliegenden Wäldern verglichen. Die Stadtmeisen Städten singen nicht nur in höheren Tonlagen, sondern ihre Gesänge sind zudem kürzer und schneller, ergab die Auswertung. Die Vögel in der Stadt seien wohl dazu gezwungen, ihren Gesang zu ändern, denn die ländliche Gesangsweise würde im Stadtlärm untergehen, erklären Hans Slabbekoorn und Ardie den Boer-Visser von der Universität in Leiden den Unterschied.
Slabbekoorn fand schon vor einigen Jahren heraus, dass
Kohlmeisen in der Stadt Leiden in höheren Tonlagen singen als ihre Artgenossen auf dem Land. Damals vermutete der Forscher bereits, dass dies generell bei Meisen in lauteren Umgebungen der Fall ein könnte, was die neue und umfangreiche Studie nun bestätigt. Von Nottingham über Paris und Berlin bis Prag nahmen die Forscher Kohlmeisengesang der Männchen auf, jeweils in der Stadt und in einem Wald im Umkreis von höchstens 116 Kilometern.
Kohlmeisengesang besteht im Wesentlichen aus einer sich wiederholenden Reihe einiger Töne. Die Auswertung der Aufnahmen von Slabbekoorn und den Boer-Visser ergab, dass die Pausen zwischen Wiederholungen bei den städtischen Kohlmeisenmännchen kürzer waren. Der erste Ton der Reihe wurde von den Stadtmeisen ebenfalls verkürzt. Daher war der Gesang insgesamt schneller und kürzer im Vergleich zum Gesang der Vögel vom Land. Zudem sangen die Vögel nicht mehr in den tieferen Tonlagen, obwohl Kohlmeisen von Natur aus ein breites Frequenzspektrum für ihren Gesang zur Verfügung steht.
Männliche Meisen singen, um ihr Territorium zu abzustecken und um Weibchen auf sich aufmerksam zu machen. Wenn ihr Gesang nicht von den Zielgruppen gehört werden kann, müssen sie Eindringlinge mit Körpereinsatz vertreiben und bekommen Probleme, Weibchen für eine Paarung anzulocken. Durch die Änderung ihres Gesangs haben sich die Meisen demnach an das Stadtleben angepasst, schreiben Slabbekoorn und den Boer-Visser. Die flexible Kohlmeise zählt zu den vier dominierenden Vogelarten in europäischen Städten.
Hans Slabbekoorn und Ardie den Boer-Visser (Universität in Leiden): Current Biology, Bd. 16, S. 2326, DOI: 10.1016/j.cub.2006.10.008 ddp/wissenschaft.de ? Sabine Keuter