Die Vorliebe für vom Glück begünstigte Menschen ist zumindest teilweise angeboren: Schon im Alter von fünf bis sieben Jahren mögen Kinder Menschen, denen Glück beschieden ist, lieber als vom Pech verfolgte. Das ist das Ergebnis einer Studie von Psychologen um Kristina Olson von der Harvard-Universität in Boston. Diese Vorliebe übertragen Kinder außerdem auch auf neutrale Figuren, wenn diese augenscheinlich zu einer Gruppe von Glückskindern gehören. Die Erkenntnisse könnten helfen, das Fortdauern sozialer Ungleichheiten in der Gesellschaft zu erklären, glauben die Forscher.
In ihrem ersten Versuch setzten die Psychologen 75 Kindern Figuren vor, denen entweder absichtlich oder unabsichtlich etwas Gutes oder Schlechtes widerfährt. Mit Smiley-Gesichtern in zehn Kategorien zwischen „sehr sympathisch“ und „unsympathisch“ konnten die Kinder ihre Gefühle gegenüber den Figuren bewerten. Die jungen Studienteilnehmer bevorzugten daraufhin die Figuren, die einfach nur Glück hatten, gegenüber den Figuren, denen zufällig Schlechtes passierte. Sie mochten auch die Figuren lieber, die Glück hatten, als solche, die selbst Gutes taten.
In einem zweiten Test sollten die Kinder ihre Sympathien gegenüber Figuren mitteilen, von denen sie zuvor keine Geschichte gehört hatten. In diesem Versuchsaufbau gab es zwei Gruppen von Figuren, die nur durch äußere Merkmale von den Kindern zugeordnet werden konnten. Hier übertrugen die Kinder ihre Sympathie über das Individuum hinaus auf die Gruppe, zu der die glückliche Person gehört.
Die noch harmlose Präferenz gegenüber Menschen mit Glück kann weiter anwachsen und zu einer schädlichen Antipathie gegenüber den vom Schicksal gebeutelten führen, so Olson. Dabei gebe es eigentlich keinen rationalen Grund, Menschen, die Glück haben, sympathischer zu finden als vom Pech verfolgte. Die Studie könne daher bei der Beantwortung der Frage helfen, warum es in jeder Gesellschaft dennoch soziale Ungleichheit gibt, die durch die Einstellung gegenüber unterschiedlich vom Glück begünstigten Gruppen entstehe.
Kristina Olson (Harvard-Universität, Boston) et al.: Psychological Science, Bd. 17, Nr. 10 ddp/wissenschaft.de ? Sabine Keuter