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Nobelpreis für Chemie 2006: Detaillierte Abschriften

Erde|Umwelt

Nobelpreis für Chemie 2006: Detaillierte Abschriften
Auch der Chemie-Nobelpreis geht in diesem Jahr in die USA: Ausgezeichnet wird der 59-jährige Roger Kornberg von der Stanford-Universität für seine Arbeit an einem der wichtigsten Prozesse in lebenden Zellen, der Transkription. Dank einer Kombination aus biochemischen Techniken, klassischen chemischen Methoden und eines umfassenden Wissens um die Vorgänge in einer lebenden Zelle sei es Kornberg gelungen, das erste konkrete Bild der molekularen Zusammenhänge bei dem Prozess zu liefern, mit dem komplexe Zellen die Informationen auf ihrem Erbgut kopieren und so für die Verwertung zugänglich machen, so das Nobelkomitee. Die Verleihung des Preises, die traditionell an Alfred Nobels Todestag am 10. Dezember stattfindet, wird für den Biochemiker Kornberg allerdings keine vollständig neue Erfahrung sein: Er nahm bereits 1959 als Zwölfjähriger an der Zeremonie teil, als seinem Vater der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde.

Damit eine Zelle überhaupt etwas mit der genetischen Information auf ihrer Erbsubstanz DNA anfangen kann, braucht sie einen Boten, der die Anweisungen vom Zellkern aus zu den Proteinfabriken im Zellplasma transportiert. Sowohl in vergleichsweise einfach gebauten Bakterienzellen wie auch in komplizierteren Zellen höherer Organismen, den Eukaryoten, versieht die so genannte Messenger- oder mRNA diese Funktion. Sie besteht genau wie die Erbsubstanz DNA aus vier verschiedenen Bausteinen, deren Abfolge die enthaltene Information bestimmt, und wird für jeden Botengang neu synthetisiert ? ein Prozess, der Transkription genannt wird.

Soll beispielsweise ein bestimmter Teil der Erbsubstanz abgelesen werden, trennt die Zelle zuerst die beiden in einer Doppelhelix verdrillten Stränge der DNA. Dadurch wird ein Strang frei und kann sozusagen als Matrize für die Fertigung der RNA dienen. Mithilfe eines Enzyms namens RNA-Polymerase wird dann nach und nach das RNA-Gegenstück zu jedem DNA-Baustein eingefügt, so dass eine Art Negativabdruck des DNA-Stranges entsteht.

Wie dieses Zusammenspiel zwischen DNA, RNA und RNA-Polymerase genau funktioniert, ist für Bakterienzellen schon seit Anfang der 1960er Jahre bekannt. Als Forscher jedoch versuchten, dieses Prinzip auf die Eukaryoten zu übertragen, stellten sie schnell fest, dass die Vorgänge dort sehr viel komplexer waren. So gibt es beispielsweise nicht ein einziges Startsignal wie bei Bakterienzellen, sondern mindestens fünf Molekülkomplexe, die zusammenarbeiten müssen, um die Transkription anzustoßen. Und selbst mit dieser Erkenntnis ließen sich noch nicht die vielen Erscheinungsformen erklären, die eurkaryotische Zellen annehmen können ? und die zumindest größtenteils auf eine unterschiedliche Regulation der Transkription zurückgehen.

Eines der Hauptprobleme bei der Untersuchung der Transkription in Eukaryoten war dabei die Verfügbarkeit geeigneter Untersuchungsobjekte. Komplexe Zellen zu kultivieren und auch zu analysieren ist sehr schwierig und zeitaufwändig. Erleichtert wurde diese Arbeit erst Mitte der 1980er Jahre, als Kornberg in der einzelligen Bäckerhefe ein geeignetes Modellsystem fand. An diesem Modell gelang es ihm, einen weiteren wichtigen Faktor für die Transkription zu identifizieren, einen riesigen Proteinkomplex namens Mediator.

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Doch auch nach dieser Entdeckung blieb der Ablauf der verschiedenen Reaktionen während der Transkription weitgehend im Dunkeln ? bis zum Jahr 2001. Erst da gelang es Kornberg, die RNA-Polymerase und ihre Mitarbeiter sozusagen in flagranti zu erwischen: Er fror die Transkription mitten im Prozess ein, fertigte Kristalle aller beteiligten Moleküle an und analysierte den gesamten Kristallkomplex mithilfe von Röntgenstrahlen. Auf diese Weise erhielt er eine Art Schnappschuss, in dem sich jeder Faktor genau dort befand, wo er auch während der Transkription in der lebenden Zelle platziert ist. In späteren Experimenten konnte Kornberg dann auch noch andere Helfer des Kopiervorganges auf ein Bild bannen und so ihre Beteiligung an der Herstellung der Genabschrift festhalten.

Das genaue Verständnis der Transkription könnte in Zukunft nicht nur ermöglichen, Krankheiten wie Krebs, Herzerkrankungen und verschiedene Arten von Entzündungen effektiv zu bekämpfen, sondern hilft auch, die Unterschiede zwischen Stammzellen und spezialisierten Körperzellen genauer zu verstehen. Die detaillierte Beschreibung des Prozesses, ohne den es kein Leben gäbe und die erst durch Kornbergs Arbeit möglich wurde, sei genau die Art von wichtiger chemischer Entdeckung, die Alfred Nobel in seinem Testament zur Bedingung für die Vergabe des Chemie-Preises gemacht habe, so das Nobelkomitee.

Ilka Lehnen-Beyel
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