Wieviele Kalorien ein Stück Kuchen dem Körper liefert, hängt von der Tätigkeit eines speziellen Darmbakteriums ab: Bietet es seine Dienste als Müllabfuhr nicht an, so können bestimmte Formen von Kohlehydraten nicht vom Körper aufgenommen werden. Das hat Samuel Buck von der Washington-Universität in St. Louis in einer Studie an Mäusen herausgefunden. Die Neigung zur Gewichtszunahme scheint daher von der Menge der Bakterien im Darm abzuhängen ? je mehr von ihnen vorhanden sind, desto größer ist auch das Risiko für Übergewicht, vermutet der Forscher.
Aus dem Bakteriengetümmel des Verdauungstrakts hat sich Samuel Buck ein Bakterium mit Namen Methanobrevibacter smithii für seine Forschung herausgesucht und dessen Funktion in der Darmflora untersucht. M. smithii ist ein effizienter Müllverwerter, der im Darm aufräumt und einsammelt, was andere Bakterien zurücklassen. Aus Wasserstoff und anderen Müllprodukten seiner Kollegen macht das Bakterium Methan, das dem Darm täglich auf bekanntem Wege entweicht. Mit dieser Dienstleistung unterstützt M. smithii die Ansiedlung weiterer
Darmbakterien, deren Aufgabe es ist, unverdauliche Ballaststoffe in Fettsäuren umzuwandeln und sie dem Körper so als Brennstoff zur Verfügung zu stellen.
Offenbar ist diese Dienstleistung für eine funktionierende Darmflora unverzichtbar, beobachtete Buck in einem Versuch an Mäusen: Er verabreichte Mäusen menschliche Darmbakterien und gab einigen von ihnen zusätzlich eine Dosis M. smithii-Bakterien. Das Resultat: In den Mäusen, in denen auch M. smithii anwesend war, siedelten sich hundertmal mehr nützliche Darmbakterien an als in den anderen Tieren. Der Müllverwerter begünstigt demnach die Bedingungen für die Darmbakterien, die unverdaute Kohlehydrate verwerten. Ohne diese Müllabfuhr war die Aktivität dieser wichtigen Bakterien blockiert. Die Auswirkungen zeigten sich nach einigen Wochen: Die Mäuse, die beide Bakterien aufwiesen, waren um 15 Prozent fetter als ihre Kollegen.
Ähnliche Zusammenhänge hofft der Forscher auch beim Menschen zu finden. Rund 85 Prozent der menschlichen Bevölkerung tragen das Bakterium M. smithii im Darm, und Buck will nun untersuchen, ob beispielsweise übergewichtige Menschen mit größeren Mengen dieser Bakterien ausgestattet sind als dünne. Seine Ergebnisse legen jedenfalls nahe, dass die individuelle Kalorienausbeute von der jeweiligen Darmflora abhängt. Sollte sich dies Konzept bewahrheiten, müssten Kalorienangaben auf Produkten neu durchdacht werden, so der Forscher.
Nature, Online-Dienst Originalarbeit: Samuel Buck et al.: Beitrag auf dem Jahrestreffen der American Society for Microbiology, Orlando ddp/wissenschaft.de ? Christina Schallenberg