Tauben denken in Logarithmen: Die Differenzen zwischen niedrigen Zahlen nehmen sie deutlicher wahr als die Unterschiede zwischen größeren Zahlen. Das haben Verhaltensforscher in Tests mit den intelligenten Vögeln herausgefunden. Ein ähnlicher Zahlenbegriff zeigt sich häufig auch bei Menschen.
Die Forscher um William Roberts brachten sechs Tauben bei, bei einem 16 Sekunden langen Lichtsignal eine bestimmte Taste zu drücken. Dauerte das Signal hingegen nur eine Sekunde, sollten die Vögel eine andere Taste drücken. Lag die Dauer des Lichtsignals genau zwischen diesen Werten, wählten die Tiere nicht etwa mal die eine und mal die andere Taste, sondern sie entschieden sich für die Taste für das längere Signal. Die Grenze für den Wechsel zwischen beiden Tasten lag nicht in der Mitte, sondern etwa bei vier Sekunden, fanden die Forscher heraus.
Der inneren Zeitskala der Vögel liegt demnach kein linearer Maßstab zugrunde, der alle Zahlen gleich bewertet, schließen die Forscher daraus. Die Tiere messen vielmehr den kleineren Zeitwerten eine größere Bedeutung bei, denken also in Logarithmen. Auch das menschliche Gehirn zeige häufig einen ähnlichen Umgang mit Zeitabschnitten und Zahlen, erklären die Forscher um Roberts. Es handle sich dabei wohl um eine gängige evolutionäre Strategie des Gehirns, die darauf zurückgehe, dass Menschen wie Tauben häufiger mit kleineren Zahlenwerten konfrontiert sind.
New Scientist, 20. Mai, S. 23 ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald