Seit dem Mittelalter hat sich die Form menschlicher Gesichter bereits deutlich verändert. Zu diesem Schluss kommen britische Forscher nach der Analyse von insgesamt 115 Schädeln aus dem 14., dem 16. und dem 20. Jahrhundert. Demnach sind die Gesichtszüge heute lebender Menschen sehr viel weniger ausgeprägt als in früheren Jahrhunderten, während gleichzeitig die Stirn im Lauf der Zeit höher wurde.
Die Wissenschaftler um Peter Rock von der Hochschule für Zahnmedizin in Birmingham verwendeten für ihre Studie Röntgenaufnahmen der Schädelknochen, die sie von einem Computerprogramm analysieren ließen. Dreißig der untersuchten Schädel stammten dabei von Opfern der
Pestepidemie, die im Jahr 1348 in London wütete. Weitere vierundfünfzig Schädel gehörten Besatzungsmitgliedern des britischen Kriegsschiffs
„Mary Rose“, das im Jahr 1545 im Ärmelkanal zwischen der Isle of Wight und England sank. Die restlichen Aufnahmen stammten aus aktuellen Patientenakten der zahnmedizinischen Hochschule.
Die Auswertung der Röntgenbilder deckte zwei deutliche Unterschiede zwischen den Menschen im Mittelalter und ihren Nachfahren auf: Die mittelalterlichen Schädel hatten markantere, stärker hervortretende Gesichtszüge als die modernen Exemplare. Dagegen war jedoch der Abstand zwischen den Augenhöhlen und dem Schädeldach bei den alten Schädeln um fast ein Fünftel geringer als beim heutigen Menschen. Mit anderen Worten: Die Stirn der Mittelaltermenschen war deutlich niedriger als die heute lebender Zeitgenossen. Studienleiter Rock spekuliert, dass diese Veränderung mit einer Zunahme der geistigen Leistungsfähigkeit im Lauf der Jahrhunderte einhergegangen sein könnte. Welche Faktoren tatsächlich die Schädelformen geprägt haben, muss jedoch in weiteren Studien genauer untersucht werden.
Peter Rock (Hochschule für Zahnmedizin, Birmingham) et al.: British Dental Journal, Bd. 200, S. 33 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel