Auch die Ergebnisse des Teams um Neumeyer stellen die Theorie von der hochspezialisierten Hirnregion infrage, zeigen sie doch, dass Gesichtserkennung auch ohne ein komplexes Gehirn funktioniert. Die Wissenschaftler hatten ihre Testbienen immer wieder zu einem Gefäß mit Zuckerwasser fliegen lassen, das sich vor dem Foto eines Gesichts befand. Tatsächlich lernten die Insekten im Lauf der Zeit, dieses Gesicht mit der Belohnung zu assoziieren und wählten von vier angebotenen Gesichtern bevorzugt das vertraute. Selbst, als die Forscher das Zuckerwasser entfernten und den Tieren neben dem bekannten Gesicht auch ein unbekanntes vorsetzten, flogen die Bienen zielsicher auf das vertraute Bild zu.
Offenbar können die Bienen, deren Gehirn etwa zehntausendmal weniger Nervenzellen enthält als das des Menschen, problemlos individuelle Gesichter auseinanderhalten und sie auch Tage später noch wiedererkennen, schließen die Forscher. Allerdings handelt es sich bei diesem Mechanismus wahrscheinlich nicht um die gleiche Art von Gesichtserkennung, wie sie beim Menschen vorkommt: Bienen haben ein sehr gutes Gedächtnis für Muster, was ihnen beispielsweise ermöglicht, verschiedene Blütenarten auseinander zu halten. Während beim Menschen das schnelle und akkurate Erkennen eines Gesichts eine wichtige Rolle im sozialen Umfeld spielt, sind menschliche Gesichter für Bienen daher wohl „nur wirklich merkwürdig aussehende Blumen“, wie es der Verhaltensforscher James Gould in einem Kommentar gegenüber dem Online-Dienst der Fachzeitschrift „Science“ formuliert.