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Nobelpreis für Chemie 2005: Molekularer Tanz mit Partnertausch

Erde|Umwelt

Nobelpreis für Chemie 2005: Molekularer Tanz mit Partnertausch
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Das Prinzip der Metathese: Der Katalysator (hier mit den schwarzen Haaren) bildet einen Viererring, aus dem die Partner in neuer Konstellation hervorgehen. (Bild: Nobelkomitee)
Den Nobelpreis für Chemie teilen sich in diesem Jahr zu gleichen Teilen der 74-jährige Yves Chauvin vom Institut Français du Pétrole, der 63-jährige Robert Grubbs vom Caltech und der 60-jährige Richard Schrock vom MIT. Chauvin entdeckte vor 35 Jahren das Prinzip der so genannten Metathese. Mit dieser Methode, deren Namen übersetzt „Platztausch“ bedeutet, können die Bindungen in organischen Molekülen bei Anwesenheit bestimmter Katalysatoren so gelöst und neu verknüpft werden, dass eine Art Partnertausch stattfindet. Die dafür nötigen Katalysatoren wurden schließlich zwanzig Jahre später von Schrock und Grubbs entwickelt. Mittlerweile ist die Metathese eine der wichtigsten Reaktionen für die chemische und die pharmazeutische Industrie, da sie es ermöglicht, immer wieder neue Substanzen und Molekülkombinationen zu kreieren.

Bereits in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts stießen Chemiker bei einigen industriellen Prozessen, darunter der Polymerisation von Ethen, auf ungewöhnliche Reaktionsprodukte mit Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen. Zugrunde lag ein Reaktionsprinzip, das schon damals als Metathese bezeichnet wurde: Zwei Moleküle tauschen Gruppen, die auf einer Seite einer Doppelbindung stehen, miteinander aus. Voraussetzung für das Funktionieren der Methode ist immer ein Katalysator, beispielsweise eine Mischung aus einer organischen Aluminiumverbindung und zwei Metalloxiden. Warum dieser Katalysator benötigt wurde und was er genau tat, wusste damals allerdings niemand. Aus diesem Grund blieb die Suche nach neuen, effektiven Mischungen ein unbefriedigendes Ausprobieren nach dem Trial-and-Error-Prinzip.

Das änderte sich erst 1970, als es Yves Chauvin gelang, den Reaktionsmechanismus zu knacken: Das Metallatom im Katalysator muss eine Doppelbindung zu einer organischen Gruppe enthalten. Dann kann es mit einem der Ausgangsmoleküle an dessen Doppelbindung zu einem vieratomigen Ring reagieren, in dem alle Atome über Einfachbindungen verknüpft sind. Im nächsten Schritt brechen zwei dieser Einfachbindungen auf, und es entsteht ein neues Alken sowie eine Doppelbindung zwischen Metallatom und einer neuen organischen Gruppe.

Diese beiden Schritte wiederholen sich dann mit dem zweiten ursprünglichen Reaktionspartner: Auch mit diesem bildet das Metallatom wieder den vieratomigen Ring, aus dem wiederum ein neues Alken hervorgeht. Auch der Katalysator ist wieder frei und kann erneut mit dem Reaktionszyklus beginnen. Diese Reaktion lässt sich mit einem Tanz der Moleküle vergleichen, bei dem sich hin und wieder zwei Paare zusammentun und in einer veränderten Konstellation wieder auseinandergehen, schreibt das Nobelkomitee.

Diese Entdeckung öffnete die Türen für die gezielte Herstellung der Katalysatoren. Das Problem: Viele der infrage kommenden Kombinationen aus Metallatom und organischer Gruppe waren instabil und zerfielen bei Kontakt mit Wasser oder mit der Luft. Bereits Anfang der 70er Jahre begann Richard Schrock ? genau wie viele seiner Kollegen ? mit der Suche nach dem optimalen Katalysator, der stabil war, selektiv nur mit Doppelbindungen reagierte und für verschiedene Reaktionen maßgeschneidert werden konnte. Im Lauf der Zeit kristallisierte sich heraus, dass Molybdän und Wolfram offenbar die vielversprechendsten Kandidaten für den Metallanteil waren. Doch erst 1990 gelang Schrock der Durchbruch: Er stellte eine Gruppe sehr aktiver Molybdän-Katalysatoren her, die neben der doppelt gebundenen organischen Gruppe drei weitere Liganden enthielten. 1992 gelang Robert Grubbs und seinen Kollegen schließlich die Synthese noch besserer Katalysatoren mit einem Ruthenium-Ion im Kern: Sie waren selektiver und funktionierten auch in Gegenwart von Alkohol, Wasser und sogar organischen Säuren.

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Heute werden die Metathese-Reaktionen in vielen Prozessen sowohl in der Forschung als auch in der Industrie eingesetzt. Sie machen aufwändige Synthesen in wenigen Schritten möglich, so dass weniger Ressourcen benötigt werden und weniger Nebenprodukte entstehen. Besonders aus der pharmazeutischen Industrie ist die Metathese nicht mehr wegzudenken, da sie es ermöglicht, mit einfachen Mitteln immer wieder neue potenzielle Wirkstoffe herzustellen. Die Breite der Anwendungen sei besonders deswegen so bemerkenswert, weil die Katalysatoren von Grubbs und Schrock erst seit einer solch kurzen Zeit zur Verfügung stünden, kommentiert das Nobelkomitee.

Ilka Lehnen-Beyel
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