Alkoholabhängige Jugendliche haben eine veränderte Hirnstruktur: Der so genannte präfrontale Cortex, der für die Verarbeitung von Sinneseindrücken und ihrer Verknüpfung mit Emotionen zuständig ist, ist bei ihnen deutlich kleiner als bei Heranwachsenden ohne Suchtkrankheit. Das haben amerikanische Forscher bei einer Studie mit insgesamt 42 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 13 bis 21 Jahren entdeckt. Ob die Verkleinerung jedoch eine Folge des Alkoholkonsums ist oder ob sie die jungen Menschen empfänglicher für die Verlockungen des Trinkens macht, können die Wissenschaftler noch nicht sagen.
Bereits in früheren Studien hatte sich gezeigt, dass die Gehirne von Erwachsenen mit Alkoholproblemen häufig ungewöhnlich klein sind ? ein Befund, der auf den meist jahrelangen Alkoholmissbrauch zurückgeführt wird. Doch auch eine kürzere Vorgeschichte der Sucht bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht mit deutlichen Veränderungen des Gehirns einher, entdeckten die Wissenschaftler mithilfe von
Magenetresonanzmessungen: Der präfrontale Cortex der alkoholabhängigen Jugendlichen war insgesamt deutlich kleiner und enthielt weniger Nervenverschaltungen als der ihrer gesunden Altersgenossen. Bei den männlichen Jugendlichen war außerdem das Kleinhirn verkleinert, zeigte die Auswertung.
„Der präfrontale Cortex ist eine Schlüsselregion für komplexes Denken, Planen und die emotionale Steuerung“, kommentiert Co-Autorin Susan Tapert das Ergebnis. Es sei möglich, dass Informationen aufgrund der fehlenden Verschaltungen nicht so effektiv und schnell vermittelt werden können, wie es für die komplexen Entscheidungsvorgänge bei jungen Menschen nötig sei. Aus diesem Grund hätten die Jugendlichen wahrscheinlich Probleme dabei, spontane Bedürfnisse zu kontrollieren und zu unterdrücken oder die Konsequenzen ihres Handelns richtig abzuschätzen.
In weiteren Studien wollen die Wissenschaftler nun untersuchen, ob die Verkleinerung durch den Alkoholkonsum verursacht wird oder ob sie eine angeborene Schwachstelle ist, die zur Entstehung der Sucht beiträgt. Es sei denkbar, dass der präfrontale Cortex bei Heranwachsenden sehr viel empfindlicher auf die neurotoxische Wirkung des Alkohols reagiert als bei Erwachsenen, erklärt De Bellis. Der Alkohol hemme dabei möglicherweise die normale Entwicklung der Hirnregion. Andererseits mache die ineffektive Kontrollregion die Jugendlichen vielleicht auch einfach anfälliger für Suchtkrankheiten.
Michael De Bellis (Duke-Universität, Durham) et al.: Alcoholism: Clinical & Experimental Research, September-Ausgabe
ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel