Was die Biologen nun jedoch bei den Zaunkönigen beobachteten, ist bislang beispiellos. Darauf deutet schon die ungewöhnliche Lebensweise der kleinen Vögel hin: Sie leben nicht, wie bislang angenommen, in Paaren, sondern in Gruppen verschiedener Größen und unterschiedlicher Zusammensetzung. So entdeckten die Forscher Verbände aus zwei Männchen und zwei Weibchen, zwei Weibchen und drei Männchen sowie fünf Weibchen und zwei Männchen.
Diese Gesellschaftsstruktur hat nach Ansicht der Wissenschaftler im Lauf der Evolution auch den Gesang der Zaunkönige geprägt: Insgesamt folgt jeder Zyklus einer ABCD-Struktur, wobei die Männchen die Phrasen A und C beitragen und die Weibchen im Wechsel die Phrasen B und D. Obwohl jedem Geschlecht für jede dieser Phrasen etwa 20 verschiedene Varianten zur Verfügung stehen, sind alle Teile des Gesangs unglaublich synchron. Die Tiere müssen demnach ihre Phrasen nicht nur zeitlich genau aufeinander abstimmen, sondern auch gleichzeitig die gleiche Variante auswählen. Bis zu zwei Minuten kann dieser Wechselgesang dauern, wobei die ABCD-Zyklen mehr als 40 Mal wiederholt werden.
Die auffälligen Gesänge helfen den Vögeln wahrscheinlich dabei, ihr Territorium zu markieren, vermuten die Forscher. Wurden den Zaunkönigen nämlich die Gesänge einer anderen Gruppe vorgespielt, rückten sie sehr nah an den Lautsprecher heran und versuchten, die Lieder mit ihrem Gesang zu übertönen. Außerdem sei es denkbar, dass die aufeinander abgestimmten Gesänge als Signale für die Koordination des Brütens dienen, so die Forscher.
Nigel Mann et al. (St.-Andrews-Universität): Proceedings of the Royal Society: Biology Letters, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10-1098/rsbl.2005.0373