In allen Farben des Regensbogens und in den überraschendsten Formen tummeln sich exotische Schnecken auf den Riffen der Karibik. Mit winzigen Zähnchen weiden diese Weichtiere den Algenbewuchs ab. Israelische Materialwissenschaftler schauten sich nun das Wachstum dieser kristallinen Beißerchen genauer an. Auf der Basis dieses einzigartigen, natürlichen Prozesses hoffen sie nun, neue Verfahren für die industrielle Herstellung von festen Kristallmaterialien in komplexen Formen entwickeln zu können. Ihre Idee beschreiben sie in einem Artikel im Fachblatt Science (10.1126/science.1114920).
„Dieses Wissen könnte für die Produktion von synthetischen, kristallinen Materialien sinnvoll sein“, schreiben Stephen Weiner und seine Kollegen vom
Weizmann Institute of Science in Rehovot. Bisher werden kristalline Werkstoffe entweder aus einer mit einem Mineral übersättigten Flüssigkeit oder aus der heißen Schmelze dieser Grundsubstanzen gewonnen. Doch bei Schnecken, beispielsweise der Käferschnecke (Polyplacophora), sind diese beiden Produktionsbedingungen nicht gegeben. Dennoch verfügen die Tiere über harte Kristallzähne. Deren Wachstum beginnt durch die Zusammenlagerung von zwei verschiedenen Phasen der jeweiligen Rohstoffe. Erst nach einiger Zeit bildet sich aus diesem heterogenen System ein fester Werkstoff mit herausragenden mechanischen Eigenschaften.
Genau konnten die Experten auf diesem Gebiet diesen Prozess noch nicht entschlüsseln. Doch sind Weiner und Kollegen davon überzeugt, dass das nur eine Frage der Zeit sei. In einem darauf folgenden Schritt wollen sie versuchen, dieses Herstellungsverfahren im Labor nachzustellen. Gelingt dies, hätten sie eine neue Möglichkeit, kristalline Werkstoffe in bisher unerreichter Qualität und Formenvielfalt zu produzieren.
Jan Oliver Löfken