Alle Affen verhielten sich gegenüber dem Spiegelbild anders als gegenüber einem leibhaftigen Artgenossen. Das bestätigten Beobachter, die die Reaktionen der Affen auf Video sahen, ohne vorher zu wissen, mit welcher der drei Situationen die Tiere gerade konfrontiert wurden. Der Verhaltensunterschied war eindeutig: Männliche Affen hielten 11-mal länger Blickkontakt mit ihrem Spiegelbild als mit einem fremden Affen, weibliche Affen 38-mal länger. Sie flirteten geradezu, was durch ein freundliches Wiegen und Lippenschmatzen zum Ausdruck kam. Gegenüber einem Fremden waren sie dagegen etwas ängstlich. Die Männchen waren ihrem Abbild nicht immer positiv gesonnen, doch im Vergleich zu einem Fremden sahen sie dem Spiegelbild häufiger in die Augen, quietschen öfters und zeigten seltener Drohgebärden.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass alle menschenähnlichen Affen wie Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas sich im Spiegel selbst erkennen. Außerdem sind Große Tümmler dazu fähig. Die meisten anderen Tiere sehen dagegen in ihrem Abbild einen Artgenossen, so dass zum Beispiel Wellensittiche mit einem Spiegel Zwiesprache halten. Die untersuchten Affen, die nicht zur weiter entwickelten Überfamilie der Menschenartigen gehören, gingen der Täuschung offensichtlich nicht auf den Leim. Sie merkten, dass sie es nicht mit einem realen Affen zu tun hatten, konnten sich selbst aber nicht im Spiegel identifizieren.
In der Tierwelt ist es an sich nicht relevant, ob Tiere ihr Spiegelbild erkennen können. Doch die Versuche eröffnen neue Erkenntnisse über das Selbstverständnis und Wahrnehmungsvermögen der Tiere, berichten die Forscher.
Frans de Waal et al. (Emory-Universität, Atlanta, USA): PNAS, DOI: 10.1073/pnas.0503935102