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Gefahr verleiht Flügel

Erde|Umwelt

Gefahr verleiht Flügel
Blattlauskolonien haben eine ganz besondere Strategie entwickelt, um Gefahren aus dem Weg zu gehen: Wird die Gruppe von einem Fressfeind angegriffen, produziert sie deutlich mehr Nachkommen mit Flügeln als sonst. Der geflügelte Nachwuchs kann im Gegensatz zu den ungeflügelten Individuen die gefährdete Wirtspflanze verlassen und sich an einem sicheren Ort häuslich niederlassen. Das hat eine Gruppe Jenaer Forscher bei Untersuchungen von Erbsenblattläusen entdeckt. Ausgelöst wird dieses ungewöhnliche Verhalten durch ein Alarmpheromon namens beta-Farnesen (EBF), das die Tiere bei einem Angriff produzieren.

Wenn Blattläuse von Fressfeinden wie Marienkäfern oder Florfliegenlarven angegriffen werden, sondern sie aus zwei röhrenartigen Strukturen auf ihrem Rücken Tropfen einer klebrigen Flüssigkeit ab. Diese Flüssigkeit hat zwei Hauptfunktionen: Sie klebt die Mundwerkzeuge der Räuber zusammen und löst gleichzeitig mithilfe des Duftstoffs EBF Alarm aus. Als Reaktion auf dieses Gefahrensignal erhöhen die in der Nähe sitzenden Artgenossen ihre Wachsamkeit, ziehen vorsorglich ihre Stechrüssel ein und wandern an eine andere Stelle der Pflanze oder lassen sich sogar auf den Boden fallen.

Doch das Alarmpheromon kann auch noch tiefgreifendere Folgen haben, entdeckten die Jenaer Forscher nun: Je häufiger die Läuse dem Duftstoff ausgesetzt sind, desto mehr geflügelten Nachwuchs produzieren sie ? allerdings nur, solange sie in einer Gruppe leben. Bei einzelnen Tieren konnten die Wissenschaftler diesen Effekt nicht nachweisen. Da die Insekten bis zu fünf Nachkommen pro Tag produzieren, greift diese Taktik sehr schnell.

Offenbar löst das Pheromon nur indirekt die Flügelbildung beim Nachwuchs aus, schließen die Wissenschaftler daraus. Ihre Erklärung: Wenn die Läuse als Reaktion auf das Alarmsignal zu wandern beginnen, berühren sie sich gegenseitig häufiger als in ruhigeren Zeiten. Dadurch entsteht bei den Tieren ein Gefühl der Überbevölkerung, denn solche Berührungen sind typisch für Gruppen, die aus zu vielen Individuen bestehen. Der höhere Anteil geflügelter ? und damit flexibler ? Nachkommen hilft dann, die Bevölkerungsdichte wieder zu erniedrigen.

Die Ergebnisse könnten helfen, effektivere Bekämpfungsmethoden gegen Blattläuse zu entwickeln, kommentieren die Forscher. Da die Häufigkeit der Pheromon-Freisetzung eine größere Rolle spielt als die freigesetzte Gesamtmenge, könnte beispielsweise ein wiederholtes, kurzzeitiges Besprühen befallener Felder mit EBF die Schädlinge wirksamer vertreiben als eine einfache, größere Dosis.

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Grit Kunert (Friedrich-Schiller-Universität, Jena) et al.: Ecology Letters, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1111/j.1461-0248.2005.00754.x

ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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