In ihrer Studie untersuchten die beiden Wissenschaftler Frederic Mery und Tadeusz Kawecki nun, ob das Gedächtnis die Überlebenschance der Fliegen in extremen Stresssituationen beeinflusst. Die Wissenschaftler trainierten einige Drosophila-Exemplare darauf, einen bestimmten Geruch mit einem unangenehmen mechanischen Schlag in Verbindung zu bringen. 24 Stunden nach diesem Training erinnerten sich die Fliegen noch an den Geruch. Verhinderten die Biologen jedoch zwischen den Lerneinheiten die Eiweiß-Synthese und damit den Aufbau eines LTM, konnten sich die Fliegen die unangenehmen Folgen des Geruchs nicht mehr merken.
In einem zweiten Experiment schränkten die Forscher die den Fliegen zur Verfügung stehende Energie ein, indem sie ihnen weder Wasser noch Nahrung anboten. Unter diesen Bedingungen starben die Fliegen, die zwischen den Lerneinheiten Ruhepausen einlegten, durchschnittlich vier Stunden früher, weil sie einen Grossteil ihrer Energie für den Aufbau des LTM brauchten. Das energetisch kostspielige Langzeitgedächtnis bietet deshalb den Fliegen nicht nur Vorteile, schließen die Biologen aus ihren Untersuchungen. Ob und in welchem Ausmaß die natürliche Auslese ein Langzeitgedächtnis bevorzugt, hänge im jeweiligen Fall davon ab, ob seine Kosten oder seine Vorteile überwiegen.
Frederic Mery, Tadeusz Kawecki (Universität Fribourg): Science, Bd. 308, S. 1148