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Schlafmangel manipuliert unsere Esslust

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Schlafmangel manipuliert unsere Esslust
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Unsere Lust auf Ungesundes zu zügeln, fällt uns bei Schlafmangel schwerer. (Foto: Juanmonino/ iStock)
Wenn wir nachts zu wenig geschlafen haben, sind wir am nächsten Tag nicht nur müde und unkonzentriert – der Schlafmangel verführt uns auch dazu, mehr zu Naschen als sonst. Woher dieser Heißhunger nach Snacks kommt, haben nun US-Forscher untersucht. Das überraschende Ergebnis: Schlafmangel erhöht den Pegel eines körpereigenen Cannabinoids im Blut. Dieser bindet an die gleichen Andockstellen wie der Haschisch-Bestandteil THC – und führt daher zu einer ähnlichen Appetitsteigerung.

Schon länger warnen Forscher vor chronischem Schlafmangel in der modernen Gesellschaft. Denn Studien zeigen, dass die meisten Schüler und auch viele berufstätige Erwachsene zumindest wochentags zu wenig Schlaf bekommen. Das jedoch hat Folgen: Der Schlafmangel führt zu Einbußen in unseren geistigen Leistungen, aber auch zu messbaren Veränderungen in unserem Körper und Stoffwechsel. So zeigen Studien, dass bei chronischer Übermüdung die Fettpölsterchen wachsen, unser Diabetes-Risiko steigt und wir zudem mehr dazu neigen, ungesundes Junk-Food statt gesunder Kost zu essen. Einer der Gründe dafür: Der Schlafentzug hemmt Areale in unserem Gehirn, die uns zu vernünftigem Handeln befähigen. Unsere Belohnungsschaltkreise, die uns beim Essen von Süßem, Salzigen und Fettigem Wohlgefühl signalisieren, bleiben dagegen aktiv, wie vor einigen Jahren eine Studie nachwies. Aber das ist offenbar noch nicht alles. Erin Hanlon von der University of Chicago und ihre Kollegen haben nun einen weiteren Mechanismus aufgedeckt, durch den der Schlafmangel uns zu viel und zu ungesund essen lässt.

Für ihre Studie hatten die Forscher 14 Studenten für zweimal vier Tage ins Schlaflabor gebeten. Bei einem dieser Aufenthalte durften die Probanden pro Nacht jeweils 8,5 Stunden lang schlafen, beim zweiten dagegen nur 4,5 Stunden. Alle Teilnehmer erhielten morgens mittags und abends eine volle Mahlzeit, jeweils am vierten Tag wurden ihnen jedoch zusätzlich diverse Snacks angeboten, darunter verschiedene Schokoriegel, andere Süßigkeiten oder Chips. Dabei zeigte sich: Die Probanden, die vier Tage lang zu wenig geschlafen hatten, griffen wie erwartet beim Snack-Buffet besonders beherzt zu. Sie nahmen 50 Prozent mehr Kalorien zu sich wie im ausgeschlafenen Zustand und doppelt so viel Fett. „Wenn sie die Chance dazu erhielten, schlugen die Probanden bei den Snacks zu und nahmen dabei mehr als 300 zusätzliche Kalorien zu sich“, berichten Hanlon und ihre Kollegen. Obwohl die Versuchspersonen erst zwei Stunden zuvor eine volle Mahlzeit gegessen hatten, verspürten sie eigenen Angaben nach Heißhunger und großen Appetit.

Aber warum? Die Antwort auf diese Frage lieferten Blutproben, die die Forscher ihren Probanden während der gesamten Zeit im Schlaflabor regelmäßig abnahmen. Das Blut analysierten sie auf drei Komponenten hin: auf das Appetitmacher-Hormon Ghrelin, das Sättigungshormon Leptin und – erstmals in diese Zusammenhang – das Endocannabinoid 2-Arachidonoylglycerol (2-AG). Dieser körpereigene Botenstoff aktiviert die gleichen Rezeptoren im Gehirn und den Geweben wie der Haschisch-Inhaltsstoff THC.

Mehr Endocannabinoide im Blut

Die Analyse der Blutproben ergab deutliche Unterschiede zwischen ausgeschlafenen und übermüdeten Probanden in Bezug auf ihre Endocannabinoid-Werte.  Nach ausreichend Schlaf sind die 2-AG-Werte am Morgen typischerweise niedrig und steigen bis zum Mittag an. Nach einem Höhepunkt gegen 12:30 Uhr sinken sie dann wieder ab, wie die Wissenschaftler berichten. Anders jedoch bei den Teilnehmern, die zu wenig geschlafen hatten: Bei diesen war der Endocannabinoid-Spiegel schon am Morgen um rund ein Drittel höher und der Peak verschob sich um eineinhalb Stunden nach hinten. Noch auffallender aber: Statt zum Abend hin deutlich abzufallen, blieben die Werte des 2-Arachidonoylglycerol bei den übermüdeten Probanden bis zum Schlafengehen deutlich erhöht. „Der Schlafmangel scheint das Endocannabinoid-System zu beeinflussen, das selbe System, an dem der aktive Bestandteil des Marihuanas ansetzt“, sagt Hanlon. Und ähnlich wie Haschisch die Esslust erhöht und zu wahren Fressorgien führen kann, scheint auch der Schlafmangel über erhöhte Spiegel des körpereigenen Cannabinoids 2-AG unseren Appetit zu manipulieren.

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„Der Schlafmangel fördert ein Signal, das den hedonistischen Aspekt des Essens verstärkt – das Wohlgefühl und die Befriedigung, die wir durchs Essen erlangen“, erklärt Hanlon. Durch die Manipulation des Endocannabinoids und damit auch unseres  Belohnungssystems fällt es uns dann schwerer, diesen Gelüsten zu widerstehen.  „Wenn Sie einen Schokoriegel haben und genügend Schlaf hatten, können Sie ihre natürliche Esslust kontrollieren!“, sagt Hanlon. „Aber wenn Sie übermüdet sind, wird Ihre Esslust größer und Ihre Kontrolle schwächer, daher werden Sie den Schokoriegel wahrscheinlich essen. Wenn Sie das dann wieder und wieder tun, dann sammeln sich die Fettpolster schnell an.“

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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