Die Knotenameise Allomerus decemarticulatus spannt ihre Beute auf eine Streckbank, um sie dann zu töten und zu zerlegen. Das hat ein amerikanisch-französisches Forscherteam herausgefunden. Die Streckbank ist ein raffiniertes Gemeinschaftswerk von Ameisen, Pilzen und ihrer Wirtspflanze.
Die Knotenameise lebt im Amazonas-Gebiet auf Bäumen der Art Hirtella physophora. Sie ist auf Stickstoff angewiesen, den sie meist durch das Fressen von anderen Insekten bezieht. Weil die Ameisen jedoch zu klein sind, um ihre Opfer alleine zu überwältigen, haben sie ein ausgeklügeltes System entwickelt, um an ihre Nahrung zu gelangen: Sie bauen eine Falle, die gleichzeitig als Folterbank dient. Dazu schneiden sie haarähnliche Fasern ihrer Wirtspflanze ab und binden sie zusammen. Die Ameisen bauen damit eine Art Balkon, in dessen Boden sie zahlreiche Löcher bohren, deren Durchmesser ein wenig größer ist als der Kopf einer Ameise. So können die Tiere mühelos durch das Loch krabbeln. Ein Pilz umwächst den Balkon und stabilisiert ihn mit seinen Fäden. Die Biologen vermuten, dass die Ameisen den Pilz eigens für die Stabilisierung ihrer Folterbank züchten, denn es wachsen nur auf denjenigen Pflanzen Pilze, auf denen auch Ameisen leben.
Ist die Falle gebaut, verstecken sich die Ameisen darunter und warten auf ihre Beute, wobei sich ihre Köpfe dabei gleich unterhalb der Löcher befinden. Landet ein Insekt auf dem Balkon, krabbeln die Ameisen aus den Löchern hervor, packen die Beine, Antennen oder Flügel des Opfers und ziehen diese durch die Löcher im Balkonboden hindurch. Dadurch wird die Beute gestreckt und kann sich nicht mehr bewegen. Jetzt kommen den Folter-Ameisen ihre Kollegen zu Hilfe: Sie beißen das nun wehrlose Opfer tot und zerlegen es.
Alain Dejean ( Universität in Toulouse) et al.: Nature, Bd. 434, S. 973
ddp/wissenschaft.de ? Katharina Schöbi