Schwedische Wissenschaftler haben einen gemeinsamen genetischen Risikofaktor für Multiple Sklerose, Rheuma und Herzerkrankungen identifiziert: Eine bestimmte Variante eines Steuergens des Immunsystems erhöht das Risiko, an einer der drei Krankheiten zu erkranken, um 20 bis 40 Prozent. Grund dafür ist eine verminderte Produktion wichtiger Abwehrproteine bei den Trägern der Genvariante. Die Ergebnisse der Forscher zeigen zum ersten Mal eine eindeutige Verbindung zwischen entzündlichen Autoimmunkrankheiten und Herz-Kreislauferkrankungen, bei denen eine Beteiligung von Entzündungsreaktionen erst vor kurzem entdeckt wurde.
Die ersten Hinweise auf den unerwarteten Zusammenhang stammen aus Versuchen mit Ratten, berichten die Wissenschaftler. Um zu prüfen, ob die dabei identifizierten verdächtigen Gene auch beim Menschen das Immunsystem beeinflussen, untersuchten die Forscher drei Studiengruppen ? MS-Patienten, Rheumatiker und Herzinfarktpatienten ? und die jeweiligen gesunden Kontrollpersonen. Bei allen drei Krankheiten spielt das Immunsystem eine Schlüsselrolle:
Multiple Sklerose und
Rheuma sind so genannte Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift und so eine chronische Entzündung verursacht. An
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sind nach neueren Erkenntnissen ebenfalls Entzündungsreaktionen beteiligt, unter anderem bei der Bildung der Ablagerungen in den Gefäßen von
Arteriosklerosepatienten.
Auch der Gentest der Forscher spiegelte diesen Zusammenhang wider: Bei den erkrankten Probanden kam eine bestimmte Variante eines Gens namens MHC2TA deutlich häufiger vor als bei der Kontrollgruppe. Dieses Gen reguliert unter anderem die Bildung der so genannten MHC-Proteine, die unverzichtbar für das Erkennen von Krankheitserregern sind. Bei den Trägern der neuidentifizierten Variante ist die Produktion dieser Abwehreiweiße deutlich reduziert.
Die Wissenschaftler schätzen, dass die Genvariante bei etwa 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung vorkommt. Möglicherweise spielt sie auch bei anderen Krankheiten, an denen Entzündungsreaktionen beteiligt sind, eine Rolle. Die Ergebnisse erklären ihrer Ansicht nach auch, warum beispielsweise Wirkstoffe wie die so genannten Statine, die meist als Cholesterinsenker eingesetzt werden, sowohl bei Autoimmunerkrankungen als auch bei Herzproblemen helfen: Sie haben neben ihrem cholesterinsenkenden Effekt auch entzündungshemmende Eigenschaften ? unter anderem, weil sie die Aktivität von MHC2TA beeinflussen.
Maria Swanberg (Karolinska-Institut, Stockholm) et al: Nature Genetics, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/ng1544
ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel