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Präriehunde sind Killer

Erde|Umwelt

Präriehunde sind Killer
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Präriehunde sind harmlose Pflanzenfresser – oder doch nicht? (Foto: Lundborg/ iStock)
Oh wie süß! Die nordamerikanischen Präriehunde gelten als harmlose Gesellen. Denn diese Erdhörnchen sind reine Pflanzenfresser und noch dazu sehr sozial. Jetzt jedoch haben US-Biologen eine Schattenseite der Präriehunde aufgedeckt: Sie sind echte Killer. Vor allem die Weibchen töten häufig Jungtiere des Wyoming-Ziesels, eines kleineren, ebenfalls sozialen Erdhörnchens, das im gleichen Lebensraum lebt. Dies ist der erste Beleg für eine solche zwischenartliche Tötung bei pflanzenfressenden Säugetieren, wie die Forscher berichten.

Die Weißschwanz-Präriehunde (Cynomys leucurus) erfreuen sich großer Beliebtheit. Denn mit ihrem rundlichen Körper und dem kurzen Stummelschwanz wirken diese etwa 30 Zentimeter langen Erdhörnchen recht possierlich – vor allem wenn sie sich beim Mustern der Umgebung aufrichten. Typischerweise legen die Präriehunde die Erdhöhlen ihrer Kolonien in Gebieten mit dichtem Grasbewuchs an. Jedes Hörnchen lebt dabei in einem Familienclan aus einem Männchen, zwei bis fünf Weibchen und mehreren Jungtieren. Meist sind die Präriehunde jedoch nicht allein in ihrem Lebensraum: Im gleichen Gebiet wie die Präriehunde finden sich meist Kolonien einer weiteren Erdhörnchen-Art. Das Wyoming-Ziesel (Urocitellus elegans) baut ebenfalls Erdhöhlen und ist etwa halb so groß wie ein Präriehund. Bisher galt die Koexistenz dieser beiden Erdhörnchen-Arten als relativ friedlich – von ein paar Verfolgungsjagden allzu aufdringlicher Ziesel mal abgesehen.

Gezielte Tötungsbisse

Doch dieser Eindruck täuscht, wie nun John Hoogland von der University of Maryland und Charles Brown von der University of Tulsa herausgefunden haben. Sechs Jahre lang beobachteten sie und ihre Kollegen dafür die Präriehunde und Ziesel einer Kolonie in der Arapaho National Wildlife Refuge in Colorado. Von in regelmäßigen Abständen aufgestellten Hochsitzen aus überwachten die Biologen das Geschehen im grasigen Gelände. Alle Präriehunde der Kolonie wurden zudem mit Ohrmarken und Fellmarkierungen versehen, die die Wiedererkennung erleichterten. „Von unseren Türmen aus registrierten wir dann alle Jagden und Kämpfe, die Präriehunde und Ziesel oder Präriehunde untereinander austrugen“, berichten die Forscher.

Dabei beobachteten die Biologen Erstaunliches: Immer wieder kam es vor, dass ein Präriehund-Weibchen ein Ziesel nicht nur jagte, sondern es auch gezielt tötete. „Der Präriehund biss dabei das Ziesel wiederholt in den Kopf, Nacken oder die Brust, bis es starb“, berichten Hoogland und Brown. „Dann verließ es den Leichnam und fraß an der nahegelegenen Vegetation weiter.“ Der Kadaver des toten Ziesels wurde dann meist nach einiger Zeit von einem Greifvogel erspäht und weggetragen. Diese Tötungen geschahen meist so schnell, dass sie den Forschern vor dieser Studie nie aufgefallen waren, wie sie selbst berichten. Im Laufe der sechs Jahre beobachteten die Biologen immerhin 163 Fälle solcher Tötungen, meist nach einer Verfolgungsjagd, manchmal aber auch als Ergebnis eines gezielten Auflauerns. Opfer waren dabei meist junge Ziesel, die „Killer“ waren fast immer säugende Präriehund-Weibchen. Wie die Wissenschaftler ermittelten, tötete etwa ein Drittel aller Weibchen im Laufe ihres Lebens mindestens ein Ziesel. Einige Präriehunde allerdings waren fast schon Serienkiller: „Ein Weibchen tötete in vier Jahren neun Ziesel, ein anderes sechs Ziesel in fünf Jahren“, berichten sie.

Töten macht erfolgreicher

Aber warum töten die Präriehunde ihre eher harmlosen Nachbarn? „Unsere Ergebnisse sind überraschend, weil sowohl Präriehunde als auch Ziesel pflanzenfressend sind und noch dazu unterschiedliche Größe haben“, so Hoogland und Brown. „Bisher waren solche Fälle zwischenartlicher Tötung nur von Raubtieren bekannt.“ Ein naheliegender Grund für die Tötungen könnte sein, dass eine Dezimierung der Ziesel die Nahrungskonkurrenz zwischen den beiden Arten reduziert: Sind weniger Ziesel vorhanden, bleibt mehr Gras für die Präriehunde übrig. Um das zu überprüfen, untersuchten die Biologen, ob die „Killer“-Weibchen Vorteile in ihrer biologischen Fitness gegenüber Weibchen zeigen, die nicht getötet haben. Denn einzelne Präriehunde sind trotz ihres Kolonielebens stark territorial. Und tatsächlich: Die „Killer“ zogen im Durchschnitt größere Würfe groß und besaßen auch generell eine größere Fitness. „Offenbar führt schon die Entfernung von mindestens einem Ziesel aus dem Territorium der Mutter dazu, dass diese und ihre Jungen mehr Pflanzennahrung bekommen“, so die Biologen.

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„Dies ist der erste Beleg für eine zwischenartliche Tötung bei pflanzenfressenden Säugetieren – und der erste Beleg dafür, dass dies die biologische Fitness von Wildtieren erhöhen kann“, konstatieren die Forscher. „Ob ein Präriehund-Weibchen tötete oder nicht beeinflusste die Gesamtzahl ihrer Nachkommen im Laufe des Lebens sogar stärker als ihre Lebensdauer – die normalerweise der Hauptfaktor für die Fitness ist.“ Angesichts der Gefahr für die Ziesel stellt sich die Frage, warum diese trotzdem so häufig in den gleichen Territorien wie ihre fast doppelt so großen Erdhörnchen-Verwandten leben. Nach Ansicht von Hoogland und Brown scheinen die Vorteile einer solchen Lebensgemeinschaft die Nachteile aufzuwiegen. „Das Leben mit den Präriehunden stellt für die Ziesel wahrscheinlich eine Art Kompromiss dar: Sie sterben zwar häufiger durch die zwischenartliche Tötung, dafür ist die Mortalität durch Raubtiere geringer.“ Denn in der Präriehund-Kolonie halten immer einige Tiere Wache und stoßen Alarmrufe aus, wenn sich ein Greifvogel oder anderer Feind nähert. Das gibt auch den Zieseln genug Zeit, sich in ihren Bauen in Sicherheit zu bringen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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