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Sind die Mondpole gewandert?

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Sind die Mondpole gewandert?
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Frühere (grün) und heutige Lage der Rotationsachse des Mondes. (Grafik: James Tuttle Keane)
Der Nord- und Südpol des Mondes lagen möglicherweise nicht immer an ihrer heutigen Position – sie könnten sich verschoben haben. Nach Ansicht eines internationalen Forscherteams gibt es dafür einige Indizien auf dem Erdtrabanten. So liegen Ablagerungen von Wassereis heute nicht an den Polkappen, wie sonst bei vielen Planeten üblich, sondern seitlich davon versetzt – und das an beiden Polen genau gegenläufig. Den Forschern zufolge spricht dieser Versatz dafür, dass sich die Rotationsachse des Mondes in dessen früher Vergangenheit verschoben hat – um möglicherweise rund fünf Grad.

Heute wirkt der Mond kalt und tot, sein Vulkanismus ist erloschen und von seinem einst globalen Magmaozean bleiben nur längst erkaltete Spuren. Auch Wasser ist nur noch in Form von Eis vorhanden. Radarmessungen von Raumsonden belegten vor einigen Jahren, dass es vor allem in der Nähe der lunaren Pole Wassereis im Inneren von Kratern gibt. Durch den Schatten der Kraterränder werden diese Ablagerungen vor der Sonne geschützt und konnten so lange Zeit überdauern.

Eines allerdings ist merkwürdig: „Die räumliche Verteilung dieser Ablagerungen entspricht nicht derjenigen, die man anhand der heutigen Temperaturverteilung erwarten würde“, berichten Matthew Siegler vom Planetary Science Institute in Tucson und seine Kollegen. Denn dichteste Häufung solcher Eis-Depots findet sich nicht in den heute kältesten Gebieten der Mondoberfläche. Statt an den Mondpolen zu liegen, wie es bei anderen Monden oder Planeten der Fall ist, sind sie versetzt auf rund 85 Grad nördlicher und südlicher Breite. Zudem sind diese Zonen bei beiden Polen genau entgegengesetzt verschoben und liegen sich um genau 180 Grad gegenüber, wie die Forscher anhand von Daten des Neutronenspektrometers der Raumsonde Lunar Prospector ermittelten.

„Diese einzigartige und hochsignifikante antipodische Beziehung deutet auf eine fundamentale Verbindung zwischen den wasserstoffreichen Zonen des Nordens und Südens hin“, konstatieren die Forscher. Ihre Ansicht nach kommt für diese gegenläufige Verschiebung nur eine Erklärung in Frage: eine echte Polwanderung. Die Rotationsachse des Mondes muss sich in der Vergangenheit verschoben haben, wodurch die früheren polaren Eiskappen seitlich versetzt wurden. Die ursprünglichen Pole des Erdtrabanten lagen demnach etwa dort, wo heute die Eisablagerungen zu finden sind:  „Unser Paläopol wird durch die Wasserstoffmaxima beschrieben und liegt auf 84,5°N, 138°O im Norden und bei 84,5°S, 318°O im Süden“, berichten Siegler und seine Kollegen. Die heutigen geografischen Pole des Mondes sind demgegenüber um rund 5,5 Grad verschoben.

Wärmeschub im Ozean der Stürme als Ursache?

Den Grund für diese Polwanderung des Mondes sehen die Wissenschaftler in Ereignissen, die vor rund 3,5 Milliarden Jahren stattfanden. Damals war die Mondkruste bereits erkaltet und erstarrt. Doch im gewaltigen Becken des Ozeans der Stürme (Oceanus Procellarum) kehrte noch keine Ruhe ein: Bereits vor zwei Jahren hatten Forscher festgestellt, dass dieses rund 3.200 Kilometer große Mondmeer rundherum Schwerkraftanomalien zeigt. Das deutet darauf hin, dass die Mondkruste in diesem Gebiet länger heiß und flüssig blieb und immer wieder Risse auftraten. Verursacht wurde diese Wärmezone wahrscheinlich von einer erhöhten Konzentration radioaktiver Elemente wie Uran, Thorium und Kalium, die im Oceanus Procellarum teilweise noch heute messbar ist.

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Genau diese Wärme- und Schwerkraft-Anomalie jedoch könnte nach Ansicht von Siegler und seinen Kollegen auch die Polwanderung ausgelöst haben. „Die radiogene Erhitzung in dieser Region veränderte die Dichtestruktur des Mondes und sein Trägheitsmoment“, erklären sie. Um diese Umverteilung der Massen auszugleichen, verschob sich die Rotationsachse so, dass das Trägheitsmoment wieder möglichst ausgeglichen war. Dadurch aber veränderten auch die geografischen Pole ihre Position auf der Mondoberfläche. „Unsere Hypothese liefert eine Erklärung für die antipodische Verteilung des polaren Wasserstoffs auf dem Mond“, sagen die Wissenschaftler. Sie passe zudem gut zu der noch heute messbaren thermischen Anomalie unter dem Oceanus Procellarum. Sollte sich dies bestätigen, ergibt sich daraus noch eine weitere Schlussfolgerung: Wenn die Wassereisablagerungen tatsächlich ehemalige polare Eiskappen sind, dann könnten sie noch aus der Frühzeit des Sonnensystems stammen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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