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Haut aus dem Labor

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Haut aus dem Labor
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Fluoreszenzmarker lassen das implantierte Hautstück grün leuchten (Foto: Takashi Tsuji/ RIKEN)(
Bisher kann bei starken Verbrennungen und anderen großflächigen Hautverletzungen nur eine Transplantation helfen. Das aber erfordert die Entnahme eines Hautstücks an anderer Stelle des Körpers. Jetzt haben Forscher erstmals erfolgreich Haut aus Stammzellen im Labor gezüchtet. Im Gegensatz zu früheren Versuchen umfasst sie alle drei Hautschichten sowie Haarfollikel und Schweißdrüsen. Das eröffnet neue Möglichkeiten, Verbrennungsopfern oder Menschen mit Haarausfall zu helfen, so die Forscher.

Unsere Haut ist ein komplexes System, das eine ganze Reihe von Funktionen in sich vereint: „Das Integumentsystem spielt eine wichtige Rolle für die Wasserisolierung, die Polsterung, den Schutz tiefer Gewebeschichten, die Ausscheidung von Abfallstoffen und die Thermoregulation“, erklären Ryojo Takagi von der Tokyo University of Science in Noda und seine Kollegen. Dafür umfasst die Haut nicht nur drei verschiedene Gewebeschichten mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben, in ihr sind auch wichtige Organe eingebettet, darunter Haarfollikel, Schweißdrüsen, Nervenenden und Blutgefäße. Wächst ein Ungeborenes heran, sorgen komplexe Wechselwirkungen mit Botenstoffen und Nachbarzellen dafür, dass die noch undifferenzierten embryonalen Stammzellen diese ganz unterschiedlichen Zelltypen erzeugen und das auch noch in der korrekten räumlichen Anordnung. Genau daran scheiterten bisherige Versuche, dieses komplexe System im Labor nachzuzüchten. „Bis jetzt fehlten der künstlichen Haut wichtige Organe wie Haarfollikel oder Schweißdrüsen“, sagt Seniorautor Takashi Tsuji vom RIKEN Forschungszentrum in Kobe.

Von induzierten Stammzellen zum komplexen Organ

Der entscheidende Durchbruch könnte nun jedoch Takagi, Tsuji und ihren Kollegen gelungen sein. „Mit einer neuen Technik haben wir erstmals Haut gezüchtet, die die volle Funktion des normalen Gewebes repliziert“, erklärt Tsuji.  Für ihre Studie entnahmen die Forscher zunächst Zellen aus dem Zahnfleisch von Mäusen und versetzten diese durch Reprogrammierung wieder in den undifferenzierten Zustand. Diese induzierten Stammzellen züchteten sie in Kultur, bis Zellklumpen aus verschiedenen Gewebetypen entstanden. Einige dieser Zellklümpchen pflanzten die Wissenschaftler dann Mäusen mit blockiertem Immunsystem unter die Haut, die dadurch die fremden Zellen nicht abstoßen konnten. Gleichzeitig setzten sie diesen Implantaten den Wachstumsfaktor Wnt10b zu, von dem bekannt ist, dass er die Bildung von Follikeln und anderen Hautorganen stimuliert. Dieser Schritt führte dazu, dass sich die Zellklumpen zu kompletten Geweben ausdifferenzierten, darunter auch kompletten Epithelien. 

Um zu testen, ob dieses Integument lebensfähig und transplantierbar ist, übertrugen die Forscher Stücke dieser neuen Haut mit jeweils 10 bis 20 Follikeln auf den Rücken adulter Nacktmäuse. Das Ergebnis: Die künstliche Haut wuchs nicht nur problemlos an, es bildeten sich auch Verbindungen zu den Nerven und Blutgefäßen in den umgebenden und tieferen Gewebeschichten der Mäuse. „Nervenfasern hatten korrekte Verbindungen mit den gezüchteten Haarfollikeln aufgebaut und auch Muskelfasern waren eingewachsen“, so Takagi und seine Kollegen. Schon nach kurzer Zeit wuchsen den nackten Mäusen aus diesen implantierten Hautstücken schwarze Haare, die sich wie beim normalen Fell aufstellten. „Die Implantate waren vollkommen funktionstüchtig und beinhalteten Follikel und Schweißdrüsen, die mit den umgebenden Geweben verbunden waren“, so die Forscher. Zudem zeigten sich auch drei Monate nach der Implantation keine Tumore oder anderen Wucherungen. Und noch ein positives Ergebnis hatten die Experimente: Je nach Dosierung des Wachstumsfaktors Wnt10b konnten die Wissenschaftler beeinflussen, wie viele Haarfollikel in den gezüchteten Hautstücken entstanden.

Nach Ansicht der Forscher sind diese Ergebnisse ein wichtiger Fortschritt in der technologischen Entwicklung von biotechnologisch erzeugten Integumentsystemen. „Diese Technologie wird neue regenerative Therapien für Patienten mit Verbrennungen, Narben oder Haarausfall möglich machen“, sagen die Wissenschaftler. Auch für Kosmetiktests ohne Tierversuche sei die auf diese Weise gezüchtete Haut gut geeignet. „Wir kommen dem Traum immer näher, ganze Organe für die Transplantation im Labor züchten zu können“, sagt Tsuji.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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