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Das Jahr der Katastrophen

Gesellschaft|Psychologie Kommentare

Das Jahr der Katastrophen
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Eine Puppe an einem Fenster in der verlassenen Stadt von Tschernobyl (Foto: EnolaBrain/iStock)
1986 – vor genau 30 Jahren – musste die Welt mehr Katastrophen erleben, als ihr in kurzer Zeit gut tun konnte. Im Januar zerbrach die Raumfähre Challenger in 15 Kilometern Höhe, 73 Sekunden nach dem Start, und riss alle mitfahrenden Astronauten in den Tod. Im April explodierte der Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl, eine radioaktive Wolke zog über Europa und versetze die Menschen in Angst und Schrecken. Und im November gab es einen Großbrand in einem Chemiewerk bei Schweizerhalle, der ein massenhaftes Fischsterben im Rhein zur Folge hatte. Ende 1986 kannte dann nahezu jeder die Abkürzung GAU, hinter der sich der größte anzunehmende Unfall verbirgt. Was haben wir langfristig aus den Katastrophen gelernt?

Challenger, Tschernobyl, Schweizerhalle – drei Namen, die 1986 zu Schreckensbildern wurden und aus denen man versuchte, für die Zukunft zu lernen. Was die Challenger-Katastrophe angeht, so hat die NASA ausführlich die Ursachen der Explosion untersucht und dazu einen Nobelpreisträger für Physik verpflichtet: Richard Feynman, der das einzig Richtige tat und erst mit Ingenieuren sprach, bevor er seine Schlüsse zog.

Feynman identifizierte einen Dichtungsring als Unglücksursache, der durch die kalte Nacht vor dem Start, mit der in Florida niemand gerechnet hatte, seine Funktionstüchtigkeit eingebüßt hatte. Aber der Physiker beließ es nicht bei dieser Diagnose. Er schloss seine Analyse mit dem Hinweis ab, dass die NASA den Start unbedingt wollte und mit aller Macht vorangetrieben hatte. Offenbar herrschte in den Vorstandsetagen die Ansicht, man könne die Natur ebenso wie die Menschen durch Presseerklärungen täuschen. Die Natur lässt sich aber nicht reinlegen, wie Feynman betonte. Nach seiner Aussage herrschte betretenes Schweigen.

Was heißt „menschliches Versagen“?

Es ist hier nicht der Platz, ausführlich über Tschernobyl zu schreiben. Nur das: Mit dieser Katastrophe hat die Formulierung „menschliches Versagen“ an Relevanz verloren. Einige Arbeiter in Tschernobyl hatten die physikalischen Reaktionen des Reaktors auf bestimmte regelnde Eingriffe unterschätzt. Menschen sind an lineare Prozesse angepasst. Komplexe und exponentiell verlaufende Abläufe lassen sich aber nicht steuern wie ein Auto. Beim Herunterfahren des Reaktors sind Fehler unterlaufen, weil die Arbeiter Aufgaben bewältigen sollten, die Menschen nicht bewältigen können.

„Menschliches Versagen“ meint dann nicht mehr das Versagen von unmittelbar tätigen Personen – sondern die Achtlosigkeit, mit der entscheidende Aufgaben für den Betrieb eines Reaktors von oben nach unten delegiert wurden – auch wenn zum Zeitpunkt der Katastrophe niemand mehr hätte einschreiten können. Nachlesen lässt sich das in dem Buch „Die Logik des Misslingens“, das der Psychologe Dietrich Dörner verfasst hat.

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Was die Menschen aus „Schweizerhalle“ lernten

Die vielleicht am wenigsten bekannten Folgen haben sich aus der katastrophalen Explosion in einem Chemiewerk ergeben, die mit dem Namen Schweizerhalle und den dort angesiedelten Chemiefirmen am Rhein verbunden sind. Es hat zwar ein paar Jahre gedauert, doch 1992 wurde im Rahmen der Aufarbeitung der schlimmen Geschehnisse die Stiftung „Mensch-Gesellschaft-Umwelt“ (MGU) gegründet, mit deren Hilfe ein interdisziplinäres und praxisorientiertes Programm zu Umweltfragen und Nachhaltigkeit an der Universität Basel finanziert wurde.

Seit 2005 ist das Programm Teil des Departments Umweltwissenschaften. Studenten können dort den „Master in Sustainable Development“ (MSD) ablegen, wobei sich die Lehrangebote gezielt an fachfremde Studierende richten. Die Stiftung MGU und das Programm MSD sollten und sollen das inter- oder transdisziplinäre Denken fördern und die Ökologie im akademischen Betrieb verankern. Wenn man dabei lernt, dass Menschen nur etwas bewirken können, wenn sie sich der Natur unterwerfen, dann hat zumindest die Katastrophe am Rhein ihr Gutes gehabt.

© wissenschaft.de – Ernst Peter Fischer
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