Ein ärgerlicher Tonfall in der Stimme lässt das Gehirn eines Zuhörers aufhorchen: Auch wenn die Worte unverständlich sind, steigt die Aktivität im Hörzentrum bei der Wahrnehmung einer ärgerlichen Stimme stärker als bei einer neutralen. Das ist sogar dann der Fall, wenn sich der Zuhörer eigentlich auf etwas völlig anderes konzentriert, haben Schweizer Wissenschaftler bei einer Magnetresonanztomographie-Studie entdeckt. Das Hörzentrum reagiert damit ähnlich wie das Sehzentrum, wenn es eine potenzielle Bedrohung wahrnimmt, berichten Didier Grandjean und seine Kollegen von der Universität in Genf in der Fachzeitschrift Nature Neuroscience (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/nn1392).
Die Forscher spielten 15 Probanden Aufnahmen vor, auf denen Schauspieler Sätze aus bedeutungslosen, aber wortähnlichen Lauten sagten. Die Sätze waren dabei in einem neutralem oder einem ärgerlichen Tonfall gesprochen. Während der Tests hörten die Teilnehmer entweder auf einem Ohr eine neutrale und auf dem anderen eine ärgerliche Aufnahme oder auf beiden Ohren neutrale Stimmen. Dabei sollten sie sich abwechselnd auf das eine oder andere Ohr konzentrieren.
Gleichzeitig bestimmten die Wissenschaftler die Gehirnaktivität der Probanden mithilfe eines Magnetresonanztomographen. Das Ergebnis: Wenn die Testteilnehmer eine ärgerliche Stimme hörten, stieg ihre Gehirnaktivität in einem bestimmten Bereich des oberen Schläfenlappens, in dem gehörte Sprache verarbeitet wird, deutlich stärker an als beim Hören der neutralen Stimme. Dabei war es egal, ob sich die Probanden auf die ärgerliche Stimme konzentrierten oder nicht.
Ärgerliche Stimmen bedeuten eine potenzielle Bedrohung und sind daher ein wichtiges Signal, schreiben die Forscher. Wahrscheinlich habe sich die bevorzugte Verarbeitung solcher Reize während der Entwicklung des Menschen gebildet, um sie auf wichtige, unbewusste Wahrnehmungen aufmerksam zu machen. Ein ähnlicher Effekt ist auch von der Wahrnehmung angstvoller Gesichter bekannt: Hier reicht es aus, unbewusst das Weiße in angstvoll aufgerissenen Augen zu sehen, um das Gehirn in Alarmbereitschaft zu versetzen.
ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel