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Jahrhundertflut durch blockierte Welle

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Jahrhundertflut durch blockierte Welle
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Eine stehende Welle der Atmosphärenströmungen könnte zur Balkanflut 2014 beigetragen haben (Grafik: PIK)
Im Mai 2014 erlebte der Balkan eine der schwersten Hochwasserkatastrophen seiner Geschichte. Jetzt haben Klimaforscher herausgefunden, was dieses Jahrhundert-Hochwasser verursachte: Eine gewaltige, erdumspannende Atmosphärenströmung war ins Stocken geraten und hielt dadurch die Luftmassen über dem Balkan fest. Das Entscheidende daran: Solche stehenden Wellen könnten durch den Klimawandel in Zukunft häufiger vorkommen und Mittel- und Osteuropa häufiger solche Fluten bescheren.

Hauptursache des Balkan-Hochwassers vom Mai 2014 war die berüchtigte Vb-Wetterlage – sie war auch schon für die Elbeflut im Jahr 2002 und die Oderflut 1997 in Deutschland verantwortlich. Bei dieser Wetterlage bildet sich ein Tiefdruckgebiet über dem Nordatlantik und zieht dann statt direkt nach Osten erst einmal nach Südosten in Richtung Mittelmeer. Dort nimmt das Tief warme und feuchte Luft auf und bringt diese Fracht dann nordwärts. In Mittel- und Osteuropa angekommen, trifft diese „vollgetankte“ Luftmasse auf kältere Luft aus dem Norden und kühlt sich dadurch schnell ab. Das aber hat fatale Folgen: Der Wasserdampf kondensiert, es bilden sich dicke Regenwolken, aus denen sintflutartige Regenfälle niedergehen. Das geschah auch im Mai 2014 über Bosnien und Herzegowina – allerdings mit ungewöhnlicher Beharrlichkeit. „Wir waren überrascht, wie lange dieses Wettersystem über der Region blieb, fast als wenn das Vb-Tief ‚Yvette dort gefangen wäre“, erklärt Lisa Stadtherr vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Tag für Tag durchtränkte der Regen die Erde, bis sie gesättigt war – das führte zum Hochwasser, das mehrere Dutzend Tote verursachte und 3,5 Milliarden Euro an Schäden.“

Blockierte Atmosphärenwellen

Die entscheidende Frage aber war: Was hielt dieses Tief so lange über dem Balkan fest? Die Forscher begaben sich auf Spurensuche und richteten ihre Aufmerksamkeit dabei auf die großräumige Zirkulation der Atmosphäre in unseren Breiten. Wie eine gewaltige Schlange zieht sich ein mäandrierendes Band aus ostwärts wehenden Luftströmungen um den Planeten. Diese sogenannten Rossby-Wellen prägen unser Klima: Schwingt die Welle über uns gerade nach Norden, saugt sie warme Luft aus dem Mittelmeerraum nach Europa und Russland, schwingt sie gerade nach Süden, geschieht das gleiche mit kalter Luft aus der Arktis. Normalerweise sind diese Wellen in ständiger Bewegung und wandern langsam um den Globus. Doch in den letzten Jahren beobachten Klimaforscher immer häufiger, dass die Rossby-Wellen manchmal zu stocken scheinen und sich dann zu noch größerer Intensität aufschaukeln. „Dahinter steht ein subtiler Resonanzmechanismus, der Wellen in den mittleren Breiten festhält und sie deutlich verstärkt“, erklärt Koautor Stefan Rahmstorf vom PIK, der dieses Phänomen gemeinsam mit seinen Kollegen bereits 2014 beschrieben hat.

Könnte auch das Jahrhundert-Hochwasser vom Mai 2014 auf eine solche Blockade der Wellenwanderung zurückgehen? Die Auswertungen der Wetterdaten spricht dafür: Wie Stadtherr und ihre Kollegen feststellten, zeigten die mäandrierenden Atmosphärenwellen ab dem 13. Mai 2014 besonders ausgeprägte Amplituden. „Diese Muster wurden durch eine quasistationäre Welle hervorgerufen“, berichten die Forscher. „Diese Welle war charakterisiert durch einen persistenten Südwärtsstrom der Luft über Westeuropa und einen persistenten Nordwärtsstrom über Osteuropa.“ Das aber spricht ihrer Ansicht nach dafür, dass die fatale und ungewöhnlich langanhaltende Vb-Wetterlage im Mai 2014 durch diese „festgehaltenen“ Wellen der atmosphärischen Zirkulation zumindest begünstigt wurde. „Unsere Daten können zwar keine Kausalität belegen, aber dieses Zusammentreffen ist zumindest sehr verdächtig – vor allem, weil wir 1997 bei der Elbeflut in Deutschland eine ganz ähnliche Situation hatten“, sagt Koautor Dim Coumou vom PIK.

Nach Ansicht der Klimaforscher sprechen ihre Erkenntnisse dafür, dass Veränderungen in der atmosphärischen Zirkulation das künftige Wetter und vor allem Extremwetter-Ereignisse stärker beeinflussen als der bloße Anstieg der Temperaturen. Denn Studien zeigen, dass Zeiten verlangsamter oder stagnierender Wanderung der Rossby-Wellen in den letzten Jahrzehnten immer häufiger auftreten. Gleichzeitig haben sich Starkregen-Ereignisse auf dem Balkan in den letzten 60 Jahren verdoppelt, wie die Forscher berichten. „Unsere Ergebnisse liefern mehr Belege dafür, dass planetare Wellen Extremwetter-Ereignisse auslösen können“, sagt Rahmstorf. „Sorgen macht mir, dass der aktuelle Klimawandel Bedingungen schaffen könnte, die diesen Resonanzeffekt begünstigen.“

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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