Ein interner Entfernungsmesser kontrolliert das Verteidigungsverhalten von Wüstenameisen: Die Tiere reagieren umso aggressiver, je näher sie sich am Bau befinden, entdeckten Schweizer Wissenschaftler. Weder Nestgeruch noch Landmarken spielen dabei für die Bestimmung der Entfernung eine Rolle. Über ihre Entdeckung berichten Markus Knaden und Rüdiger Wehner von der Universität Zürich in der Fachzeitschrift Science (Bd. 305, S. 60).
Die meisten Tiere verteidigen vehement ihren Nist- und Schlafplatz. Landmarken und Gerüche, die das eigene Territorium kennzeichnen, lösen dabei eine Hormonausschüttung aus, die die Kampfbereitschaft und damit die Aggressivität erhöhen. Knaden und Wehner entdeckten jetzt bei Wüstenameisen der Art
Cataglyphis fortis ein ganz anderes Prinzip der Verhaltenssteuerung: Bei den Insekten entscheidet ausschließlich die Distanz zum Nest darüber, wie aggressiv sie reagieren.
In ihren Experimenten trainierte das Forscherteam mehrere Kundschafter-Ameisen darauf, bestimmte Futterplätze aufzusuchen, die zwanzig Meter von ihrem Nest entfernt lagen. Wurden die Tiere am Futterplatz eingefangen und auf einer fremden Teststrecke wieder ausgesetzt, schlugen sie sofort die Richtung ein, die sich zurück zum Bau geführt hätte. Nach genau zwanzig Metern stoppten die Insekten und begannen, das Nest zu suchen.
In einem weiteren Experiment fingen die Wissenschaftler Ameisen ab, die auf dem vermeintlichen Rückweg zum Nest unterschiedliche Distanzen zurückgelegt hatten: Die eine Hälfte hatte bereits die gesamten 20 Meter hinter sich, während die andere nur ein Viertel der Wegstrecke bewältigt hatte. Wurden die Ameisen anschließend miteinander konfrontiert, so zeigten sich die Tiere, die mehr Strecke bewältigt hatten und sich daher theoretisch näher am Nest befanden, deutlich aggressiver.
ddp/bdw ? Kathrin Lengfellner