Schon bei den einzelnen Individuen unterliegen die Telomere einer Art Alterungsprozess. Bei jeder Zellteilung werden sie kürzer, weil es nicht ganz gelingt, sie vollständig zu kopieren. In Ei- und Samenzellen sowie Föten werden die Telomere von einem Enzym namens Telomerase wieder nachgebildet ? aber nicht vollständig, behauptet Stindl.
Stindls Theorie könnte erklären, warum die Länge der Telomere zwischen den einzelnen Arten stark schwankt. Bei einigen Vogelarten bestehen die Telomere aus etwa einer Million Basenpaare der Erbsubstanz DNA, bei Menschen sind es gerade 10.000. Wenn sich die Lebenszeit einer Art dem Ende zuneigt, würden vermehrt einzelne Individuen an Krankheiten leiden, die mit einer Instabilität der Chromosomen zusammenhängen, zum Beispiel Krebs oder Immunschwäche-Krankheiten. “Das könnte zum Zusammenbruch einer Population führen”, sagt Stindl.
Neue Arten, bei denen die Telomer-Uhr wieder neu gestellt wird, bilden sich seiner Meinung nach durch Inzucht. Ein Anzeichen dafür: Labormäuse, die mit Inzucht vermehrt wurden, haben längere Telomere als ihre wilden Artgenossen.
Ob Stindls Telomer-Theorie tatsächlich erklären kann, warum im Laufe der Evolutionsgeschichte Millionen von Tierarten unwiederbringlich von der Erde verschwanden, halten Paläontologen für zweifelhaft. Der österreichische Forscher will seine Idee jetzt belegen, indem er die Telomer-Länge von erfolgreichen Spezies mit der von bedrohten Arten vergleicht.