In den Eierstöcken erwachsener Mäuse reifen kontinuierlich neue Eizellen heran. Diese Entdeckung amerikanischer Forscher vom Massachusetts General Hospital widerlegt die allgemeine Lehrmeinung, dass bei Säugetierweibchen sämtliche Eizellen bereits vor der Geburt angelegt werden. Sollten sich die neuen Erkenntnisse auch auf den Menschen übertragen lassen, könnte das neue Perspektiven für die Reproduktionsmedizin eröffnen. Die bisher unbekannte Fähigkeit der Mäuseweibchen konnten die Mediziner in Experimenten mit genetisch veränderten Mäusen nachweisen. Das Forscherteam um Jonathan Tilly berichtet darüber im Fachmagazin Nature (Band 428, S. 145).
Während der Embryonalentwicklung werden bei allen Säugetierweibchen Tausende von Eizellen angelegt, von denen nach der Geschlechtsreife regelmäßig einige zur Befruchtungsfähigkeit heranreifen. Die Mehrzahl dieser Eizellen gelangt jedoch nie zum Eisprung und wird vom Organismus wieder abgebaut. Als die Forscher über die gesamte Lebensspanne ihrer Labormäuse die Anzahl der gesunden und der absterbenden Eizellen zählten und miteinander verglichen, machten sie eine unerwartete Feststellung: Bei erwachsenen Mäuseweibchen starben so viele Eizellen ab, dass der Vorrat innerhalb von Tagen oder Wochen hätte erschöpft sein müssen. Die Zahl gesunder Eizellen blieb jedoch etwa gleich. Das ist eigentlich nur zu erklären, wenn auch die erwachsenen Mäuseweibchen neue Eizellen erzeugen können.
Zur Überprüfung dieser Annahme erzeugten die Mediziner genetisch veränderte Mäuse mit einem besonderen Eiweiß, das alle Zellen des Körpers grün fluoreszieren lässt. In die Eierstöcke dieser Tiere setzten Tilly und seine Kollegen Eierstockgewebe normaler Mäuse ein. Nach einigen Wochen fanden die Forscher in den Eierstöcken selbst in dem nicht manipulierten Eierstockgewebe grün leuchtende Eizellen. Offensichtlich waren diese aus dem ursprünglichen Eierstockgewebe der genetisch veränderten Maus in das implantierte Gewebe eingewandert. Sie konnten daher nur in dem erwachsenen Tier entstanden sein.
Sollte sich die Bildung neuer Eizellen auch beim Menschen nachweisen lassen, so müssten nach Ansicht von Tilly alle Annahmen über die Alterung des weiblichen Fortpflanzungssystems überprüft werden. Frank Bellino, Leiter des Untersuchungsprogramms zum Biologischen Altern am amerikanischen National Institute of Aging (NIA), hofft bereits auf praktische Anwendungen. Weitere Studien könnten in Zukunft die Möglichkeit eröffnen, die Rate der Neubildung von Eizellen bei Frauen zu beeinflussen und so den Eintritt der Menopause mit ihren gesundheitlichen Nachteilen zu verzögern.
ddp/bdw ? Thomas Kappe