Die Hörner der kanadischen Dickhornschafe sind während der vergangenen dreißig Jahre immer kleiner geworden. Der entscheidende Faktor dieser evolutionären Entwicklung war jedoch keine Klimaveränderung, sondern das Auftreten eines neuen Feindes: Trophäenjäger töten nur große Widder mit großen Hörnern ? und rotten so die Gene für schnelles Wachstum und ausgeprägte Hörner aus. Über diesen Zusammenhang berichtet eine britisch-kanadisch-amerikanische Forschergruppe in der Fachzeitschrift Nature (Bd. 426, S. 655).
Die berühmte natürliche Selektion muss nicht immer natürlich sein: Auch der Mensch kann einen künstlichen Selektionsdruck erzeugen. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist eine Gruppe von Dickhornschafen, die in den kanadischen Bergen lebt.
David Coltman von der Universität in Sheffield und seine Kollegen aus Canmore, Missoula, Edmonton und Sherbrooke verfolgten die Entwicklung der Gruppe über dreißig Jahre hinweg. Während dieser Zeit wurden die auffallenden, gedrehten Hörner der Tiere als Jagdtrophäe immer beliebter. Gleichzeitig ging die Größe der begehrten Trophäen jedoch zurück und auch die Tiere selbst wurden im Durchschnitt nicht mehr so groß.
Diese Entwicklung war nach Ansicht der Wissenschaftler eindeutig die Schuld der Trophäenjäger: Sie schießen bevorzugt große Männchen mit großen Hörnern ? und das meistens, bevor die Tiere die Gelegenheit haben, sich ausgiebig fortzupflanzen. Dadurch haben sie weniger Nachkommen und ihre Gene sterben nach und nach aus. Diese Beobachtungen konnten die Wissenschaftler auch durch eine Genanalyse bestätigen: Sowohl die Gene für schnelles Wachstum als auch die für große Hörner verschwanden im Lauf der Zeit aus dem Erbgut der Tiere.
ddp/bdw ? Ilka Lehnen-Beyel