Sie haben Geld in Aktien investiert und legen angesichts der sinkenden Kurse vor Entsetzen die Hand auf den Kopf? Glaubt man amerikanischen Hirnforschern, liegt Ihre Hand tatsächlich in der Nähe des Hirnteils, das den Unterschied zwischen Realität und Wunschdenken bemerkt hat. Durch die Furche zwischen den beiden Hirnhälften schlängelt sich eine mit Nervenzellen dicht bepackte Wulst, der so genannte Gyrus Cinguli. Diese Hirnregion reagiert zumindest bei Affen mit gesteigerter Aktivität auf Enttäuschungen, berichten amerikanische Forscher in der Fachzeitschrift Science (Bd. 302, S. 120).
Das Team um den Hirnforscher Jeffrey Schall von der Vanderbilt-Universität in Nashville hat bei Makaken mit feinen Elektroden die Aktivität hunderter einzelner Nervenzellen im Gyrus Cinguli beobachtet. Die Tiere mussten Aufgaben am Monitor lösen und bekamen anschließend einen Spritzer Fruchtsaft als Belohnung. Manchmal enttäuschten die Forscher die Tiere jedoch und gaben ihnen trotz erfüllter Aufgabe keinen Saft. Einige der beobachteten Nervenzellen warteten daraufhin eine kurze Zeit ab, um dann um so heftiger mit elektrischen Entladungen zu reagieren: Offenbar dauerte es ein wenig, bis die Tiere begriffen hatten, dass die Forscher sie hinters Licht führten und die Realität nicht ihren Erwartungen entsprach.
Der Gyrus Cinguli gehört zu den Hirnteilen, die die höchsten geistigen Aufgaben lösen, erklären die Forscher. Es ist vermutlich eine Instanz, die beurteilt, ob das Ergebnis einer Handlung den Absichten des Tieres entspricht. Schall und seine Kollegen sind jedoch vorsichtig dabei, ihre Studienergebnisse direkt auf den Menschen zu übertragen. Aber auch für den Menschen vermuten Psychologen eine ähnliche Rolle des Gyrus Cinguli, schreiben die Forscher.
ddp/bdw ? Andreas Wawrzinek