Doch viele Detailfragen dieser Theorie sind noch offen. Die Wissenschaftler aus Münster wollten jetzt zusammen mit Kollegen vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie herausfinden, wie viel des Mondmaterials von der Erde stammt und wie viel der bei der Kollision zerstörte Planet beisteuerte. Sie nutzten dabei eine Besonderheit der beiden chemischen Elemente Niob (Nb) und Tantal (Ta) aus: Diese beiden Elemente verhalten sich fast immer wie eineiige Zwillinge.
Beide Elemente gehören zur fünften Nebengruppe des Periodensystems und haben damit fast identische chemische Eigenschaften. Niob und Tantal kommen fast überall im Sonnensystem im selben Verhältnis vor, da es kaum einen Prozess gibt, der sie unterschiedlich behandelt und damit ihr prozentuales Verhältnis ändern würde.
Doch die Forscher fanden, dass in Erdkruste und Erdmantel etwa 30 Prozent Niob fehlen. Das liegt daran, dass es doch einen Unterschied zwischen Niob und Tantal gibt: Bei den sehr hohen Drücken, wie sie im Erdinnern herrschen, konnte sich Niob im Metallkern der Erde lösen, Tantal aber nicht. Bei Meteoriten, die von kleineren Asteroiden abstammten, fanden die Wissenschaftler diesen Niob-Fehlbetrag nicht – nicht einmal bei Meteoriten vom Mars. Nur die Erde ist groß genug, um in ihrem Inneren den für die Trennung von Niob und Tantal notwendigen Druck aufzubauen.
Die Ausnahme war das Mondgestein. Obwohl der Mond kleiner als der Mars ist und den Niob-Fehlbetrag damit nicht selbst erzeugt haben kann, weist auch sein Gestein solch einen Fehlbetrag auf. Aufgrund der Größe dieses Fehlbetrags errechneten die Forscher, dass mindestens die Hälfte des Mondmaterials von der Erde stammen muss. Das übrige Material steuerte der zerstörte Kleinplanet bei.
Unter Berücksichtigung ihrer älteren Forschungsergebnisse skizzieren die Wissenschaftler folgendes Szenario: Vor etwa 4,56 Milliarden Jahren bildete sich unser Sonnensystem aus einem Gas- und Staubnebel. 99 Prozent des Materials sammelten sich in der Sonne, ein Prozent blieb für alle Planeten und Asteroiden übrig. Spätestens vor 4,533 Milliarden Jahren war die Bildung der Erde abgeschlossen.
Etwa zur gleichen Zeit stieß die Erde mit dem fremden Planeten zusammen. Dieser wurde zerstört. Seine Bruchstücke wurden zusammen mit Material aus Erdkruste und Erdmantel in eine Umlaufbahn um die Erde geschleudert. Daraus bildete sich dann der Mond. Da sich Niob und Eisen bereits vorher im Erdkern konzentriert hatten, gelangte nur ein geringer Prozentsatz dieser beiden Elemente in das Mondmaterial.
Eine Animation zur Entstehung des Mondes finden Sie auf der Homepage von Eiichiro Kokubo vom National Astronomical Observatory of Japan.
Mehr zu den älteren Forschungsergebnissen der Wissenschaftler aus Münster finden Sie in bild der wissenschaft, 06/2003, S. 42 und 08/2002, S. 50.