Robert McGraw und Yangang Liu vom Nationallaboratorium der USA in Brookhaven im Bundesstaat New York haben diesen Widerspruch nun gelöst und ein vollkommen anderes Prinzip der Tropfenbildung vorgeschlagen. Tropfen entstehen demnach durch von Turbulenzen ausgelöste Dichtefluktuationen der Wassermoleküle in den Wolken. Durch ein Wechselspiel von Kondensation und Verdampfen bilden sich so ständig Tropfen mit unterschiedlichen Größen aus.
Wenn nun der Radius eines auf diese Weise entstandenen Tropfens eine gewisse Größe, die so genannte Nukleationsbarriere, überschreitet, so beginnt er durch Kondensation zu wachsen. Der Bildung von Regentropfen liegt demnach das gleiche physikalische Prinzip zu Grunde wie der Bildung von Zuckerkristallen in Honig.
Die neue Theorie kann zudem gleich zwei bisher ungeklärte Beobachtungen erklären. Zum einen ist die Tropfenbildung durch Nukleation aufgrund der starken Turbulenz in Regenwolken so schnell, dass Regentropfen innerhalb von dreißig Minuten auf ihre typische Größe von 100 Mikrometern anwachsen können. Zum anderen erklärt die Theorie, wieso die Lebensdauer von Regenwolken in der Umgebung von Industrieanlagen oftmals vergrößert ist. Die Ursache dessen liegt darin, dass die emittierten Umweltgifte als Kondensationskeime für Regentropfen dienen.
Regenwolken in der Umgebung von Industrieanlagen sollten somit eine größere Anzahl von Regentropfen enthalten als Wolken, die über weitgehend unberührten Bereichen der Erdoberfläche liegen. Eine größere Anzahl von Regentropfen führt der Nukleationstheorie zu Folge nun zu einem größeren kritischen Radius für das Tropfenswachstum. Dies stimmt mit der Beobachtung überein, dass Regenwolken über Landmassen in der Tat eine längere Lebensdauer als über Ozeanen besitzen.