Will man die Länge der Uferlinie eines Flusses angeben, dann hängt die Antwort davon ab, welchen Maßstab man verwendet. Ein Mann, der die Länge eines bestimmten Uferabschnittes mit einen Meter langen Schritten abschreitet wird zu einem anderen Ergebnis kommen als ein Kind, das den gleichen Uferabschnitt mit einen halben Meter langen Schritten abmisst. Das Kind kann dem unregelmäßigen Uferverlauf mit den kürzeren Schritten exakter folgen, während der Mann mit seinen größeren Schritten die Unregelmäßigkeiten „wegglättet“ und deshalb eine geringere Länge ermitteln wird.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass das kleinere Land Portugal die Grenzlänge um mehr als 200 Kilometer größer angibt als Spanien. Der Maßstab der portugiesischen Karten wird in der Regel größer sein als der der spanischen Karten. Damit sind mehr Einzelheiten und Unregelmäßigkeiten des Grenzverlaufs zu erkennen und die Grenze erscheint länger.
Mathematisch nähert man sich diesem Problem, indem man den Begriff der „gebrochenen“ oder „fraktalen“ Dimension einführt. Ein berühmtes Beispiel ist die Kochsche Schneeflockenkurve, die weder die Dimension 1 einer Linie noch die Dimension 2 einer Fläche hat, sondern mit einer fraktalen Dimension von 1,26 irgendwo dazwischen liegt.
In ihrer Computersimulation untersuchten Epstein und seine Kollegen das magnetische Verhalten eines aus Tetraphenylporphyrin und Tetracyanoethylen bestehenden Kunststoffmaterials, das eindimensionale Polymerketten bilden kann. Bei Anlegen eines äußeren Magnetfeldes versuchen die „Spins“ der einzelnen Moleküle, sich entlang dieses Magnetfeldes auszurichten. Man kann sich diese Spins als kleine Elementarmagnete vorstellen.
Dabei bilden die Spins benachbarter Moleküle eine Gruppe mit gleicher Ausrichtung der Magnetfelder. Die Magnetfelder verschiedener Gruppen zeigen in der Regel in verschiedene Richtungen. In vielen Materialien würden die verschiedenen Gruppen solange miteinander interagieren und „in Wettstreit treten“, bis alle Magnetfelder in die gleiche Richtung zeigen. Doch „manchmal haben die Atome nicht genug Energie, um miteinander zu kämpfen. Dann zeigen die Magnetfelder der Gruppen weiterhin in alle möglichen Richtungen. Solch ein Material nennt man ‚Cluster-Glas'“, sagt Epstein. Er glaubt, dass solche Materialien zukünftig in der Elektronik eingesetzt werden.
Epsteins Gruppe konnte in ihrer Simulationsrechnung zeigen, dass die Magnetfeldlinien des untersuchten Kunststoffmaterials bei Anlegen eines äußeren Magnetfeldes und gleichzeitigem Abkühlen des Materials auf eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt fraktale Strukturen bilden. Bei einer Temperatur von minus 267 Grad Celsius hatte dieses Fraktal die Dimension 0,8. Bei minus 269 Grad Celsius änderte sich die fraktale Dimension zu 1,6.