Schreiende Menschen, die in Panik und ohne Rücksicht auf Schwächere davonrennen: Dieses in vielen Katastrophenfilmen sorgfältig inszenierte und gepflegte Bild ist ein Mythos. In Wirklichkeit verhalten sich die meisten Menschen selbst in lebensgefährlichen Situationen diszipliniert und rücksichtsvoll. Diese Ansicht vertritt der amerikanische Soziologe Lee Clarke.
Der Professor an der Rutgers-Universität hat für seine im Fachmagazin „Context“ (Herbstausgabe) veröffentlichte Untersuchung das Verhalten von Menschen in Extremsituationen untersucht. Seine Beobachtung: Extreme Angst ist häufig, blinde Panik dagegen nicht. Das habe sich auch bei den Anschlägen auf das World Trade Center gezeigt, wo die Evakuierung der beiden von den Flugzeugen getroffenen Türme überwiegend ruhig ablief und von Hilfsbereitschaft unter den Betroffenen geprägt war. Laut Clarke liege es in der menschlichen Natur, bei Katastrophen eher Gemeinschaftssinn als blinden Egoismus zu entwickeln.
Kritisch wertet der Soziologe das Verhalten von Behördenvertretern, Polizisten oder anderen Autoritäten in solchen Extremsituationen: Als Beschwichtigung gedachte Parolen wie: „Die Lage ist unter Kontrolle!“ erreichten häufig das Gegenteil, da sie angesichts einer offensichtlich brenzligen Situation bei den Opfern zu Misstrauen und unbestimmter Angst führten. Richtig sei es dagegen, bei der Wahrheit zu bleiben und damit Autorität zu wahren. Die meisten Menschen könnten auch mit schlechten Nachrichten gut umgehen, so Clarke.
ddp/bdw – Ulrich Dewald